Ein unerhörtes Angebot
denn, du möchtest noch bleiben und den Gönner unseres zukünftigen Schwagers begrüßen, der sich offenbar doch entschlossen hat, uns mit seiner Gegenwart zu beehren.“ Er seufzte theatralisch. „Ich werde ihm wohl dafür danken müssen, dass er mir eine Last von den Schultern genommen hat.“ Mit einem Blick auf Helen fügte er spitz hinzu: „Vielleicht nimmt er mir ja auch die andere ab.“ Dann fuhr er mit lauterer Stimme fort: „Ich hoffe nur, Goode hat nicht sein ganzes Gehalt für diesen verflixten Rubinring ausgegeben.“
Iris wirbelte sofort herum. Ihre blauen Augen leuchteten vor Aufregung, und sie biss sich auf die Unterlippe.
„Du scheinst mir gar nicht mehr so gelangweilt zu sein, meine Liebe“, bemerkte ihr Gatte sarkastisch und schlenderte davon.
Auch Helen ließ Iris stehen und ging rasch zur anderen Seite des Raums. Sobald sie die Glastür erreichte, die sich zur Terrasse hin öffnete, blieb sie stehen und ließ sich die erhitzte Haut von der frischen Abendluft kühlen.
Philip hatte erwähnt, dass auch seinem Wohltäter eine Einladung zugegangen war, aber Helen hatte geglaubt, dass Jason sie nicht wahrnehmen würde, weil die Lage zwischen ihnen noch nicht geklärt war. Schließlich hatte er selbst gesagt, dass es gesellschaftliche Zusammenkünfte geben würde, bei denen sie nicht gemeinsam erscheinen durften. Dennoch war er gekommen und hatte sogar seinen Bruder mitgebracht.
Einige Wochen waren vergangen, seit sie sich im Park getroffen hatten, und obwohl sie seitdem rege miteinander korrespondierten, waren sie sich kein einziges Mal begegnet. Im ersten Brief hatte Jason sie gefragt, ob sie eine kleine Summe als Vorschuss brauchte. Nach reiflicher Überlegung war Helen zu dem Schluss gelangt, dass sie sein großzügiges Angebot ablehnen musste. In der folgenden Woche hatte sie einen weiteren Brief von ihm erhalten, in dem er wissen wollte, ob sie selbst ein Haus und das Personal dafür auszusuchen wünsche oder ob er sich darum kümmern solle. Sie hatte über seinen scherzhaften Ton lachen müssen, als er schrieb, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauche, denn er würde ihr den Rowan Walk ersparen. Helen hatte ihm geantwortet, er solle vorgehen, wie er es für richtig hielte.
In keinem Fall konnte man behaupten, dass sie sich Liebesbriefe geschrieben hätten, aber Helen spürte so etwas wie eine langsam erwachende Freundschaft zwischen ihnen. Die Wartezeit auf den Beginn ihrer heimlichen Affäre war unerwartet aufregend. Nur dass es natürlich kein Spiel bleiben würde und auch kein Geheimnis. Ab einem bestimmten Punkt würden sie Liebhaber sein und ab und zu Tisch und Bett miteinander teilen. Und alle Welt würde es wissen.
Aber wann? Die Wochen vergingen, und Helen kam der Gedanke, dass Jason vielleicht absichtlich alles in die Länge zog, weil er den Zustand der Dinge, wie sie waren, zufriedenstellend fand. Er machte keinen Hehl daraus, dass er auf Mrs. Tuckers Dienste nicht zu verzichten gedachte. Helen fragte sich, ob seine derzeitige Mätresse womöglich von den Entwicklungen Wind bekommen und ihn gebeten hatte, sie nicht fortzuschicken? Einige Male war sie versucht gewesen, ihm zu schreiben und nach den Gründen für die Verzögerung zu fragen, ihr Stolz ließ es jedoch nicht zu. Sie war schon tief genug gesunken, als sie sich selbst als Mätresse angeboten hatte, auf keinen Fall würde sie so weit gehen und ihn drängen, sie in sein Bett zu nehmen.
„Charlottes Rubinring ist wunderschön.“
Helen zuckte zusammen, beruhigte sich indes, als sie erkannte, dass es Emily Beaumont war, die sie angesprochen hatte. Sie umarmte die hübsche junge Frau. „Ja, Philip hat ein zauberhaftes Verlobungsgeschenk ausgesucht.“
„Ich bin froh, dass die beiden zueinandergefunden haben“, verkündete Emily. „Und so überraschend! Anne erzählte mir erst vor wenigen Wochen, dass euer Bruder eine Abneigung gegen Philip hegt und niemals seine Einwilligung geben würde.“
„Ja, so war es in der Tat“, gab Helen zu. „Seit er allerdings von Philips neuer Stellung erfuhr, hat er einen Sinneswandel durchgemacht, der an ein Wunder grenzt. Jetzt kann ihm die Hochzeit gar nicht bald genug stattfinden.“
Emily sah zu zwei eleganten dunkelhaarigen Gentlemen hinüber, die von einer kleinen Gruppe anderer Gäste umgeben waren und sich offenbar angeregt unterhielten. „Tarquin sagt, Sir Jason Hunter habe Philip unter seine Fittiche genommen, und seitdem gäbe es plötzlich keine Einwände
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