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Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Titel: Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simona Ahrnstedt
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Dienstboten.»

    Die zwanzig Minuten, die es dauerte, bis der verschlafene Doktor Eberhardt im Haus in der Sillgatan eintraf, waren die längsten in Beatrices Leben.
    Als er mit zerzaustem Haar das Zimmer betrat und einen Blick auf die bewusstlose Sofia warf, schüttelte er nur den Kopf. «Das kann sie nicht überleben», sagte er, stellte seine Tasche ab und zog den Rock aus. «Das Kind muss heraus, sonst sterben sie beide innerhalb der nächsten Stunden.»
    Harriet vergrub das Gesicht in den Händen. Johan blickte stumm auf seine Frau.
    «Aber es ist doch noch zu früh, oder?», flüsterte Beatrice.
    Eberhardt zuckte mit den Schultern, während er den herumhuschenden Dienstboten Befehle zubellte. Er krempelte die Ärmel hoch. «Schicken Sie eine Nachricht an meinen Assistenten im Krankenhaus. Und jetzt gehen Sie, ich habe zu arbeiten.»
    Johan stand auf und reichte Harriet den Arm. Seine Schwiegermutter stützte sich mit ihrem ganzen Gewicht auf ihn.
    «Beatrice?»
    «Ich bleibe hier», sagte sie und wandte sich zu Doktor Eberhardt. «Sie brauchen doch Hilfe, oder nicht?»
    «Das wird eine blutige Angelegenheit», warnte der Arzt. «Haben Sie vor, ohnmächtig oder hysterisch zu werden, Fräulein Löwenström?»
    Beatrice sah ihm ruhig in die Augen. «Sagen Sie mir einfach, was ich tun soll, dann tue ich es», erwiderte sie knapp. Wenn Sofia in dieser gottverlassenen Winternacht sterben musste, dann sollte sie zumindest nicht allein sein.
    «Gut», sagte der Arzt.
    Harriet hatte den Raum schon verlassen, doch Johan zögerte noch.
    «Es ist besser, wenn du zu den anderen gehst», bestimmte Beatrice. «Ich verspreche dir, dass ich dich hole, falls …» Sie verstummte, und die Worte blieben unausgesprochen in der Luft hängen. Dann folgte Johan leise seiner Schwiegermutter.

    Doktor Eberhardt betrachtete die Patientin, die seit seiner Ankunft in Göteborg an jenem denkwürdigen Herbsttag in seiner Obhut war. Zu Anfang hatte er natürlich keine andere Wahl gehabt, das hatten ihm die zwei Tiere, die ihn quer durch halb Europa geschleift hatten, sehr deutlich gemacht. Doch nach einer Weile hatte er Zuneigung zu seiner Patientin und ihrer Familie gefasst und beschlossen, sein Bestes zu geben, um sie zu retten. Außerdem war er ein Ehrenmann. Die Summe, die man ihm auf sein Konto bei der Deutschen Bank für die Pflege der Sofia Stjerneskanz eingezahlt hatte, war schlichtweg astronomisch gewesen. Und so tat er einfach das, was er am besten konnte. Im Laufe des Herbstes hatte er auch deutsche Mediziner im Sahlgrenska-Institut kennengelernt und auf Wunsch der Studenten eine Vorlesungsreihe an der medizinischen Fakultät abgehalten, die auf sehr positives Echo gestoßen war. Jetzt sah er die blasse, aber gefasste Frau an, die ihm gegenüberstand.
    «Wissen Sie, was ein Kaiserschnitt ist?», fragte er.
    Beatrice erbleichte, als sie das Wort hörte. «Sie meinen, Sie wollen sie aufschneiden?», flüsterte sie.
    Der Arzt antwortete nicht, sondern machte seine Tasche auf und gab ihr Anweisungen. «Ich brauche jede Menge heißes Wasser. Saubere Tücher. Ausgekochte Schwämme.» Er sah sie an. «Hygiene ist jetzt oberstes Gebot. Jedes Mal, wenn ich Ihnen ein Instrument reiche, müssen Sie es in kochendes Wasser legen.»
    «Haben Sie das schon einmal gemacht?», fragte sie besorgt.
    «Ja.»
    «Wird sie überleben?»
    «Geben Sie mir die Flasche mit dem Chloroform», wich er ihrer Frage aus. «Wir fangen jetzt an.»
    Sofia, die kaum bei Bewusstsein war, wehrte sich erschrocken, als er ihr das chloroformgetränkte Tuch über Mund und Nase hielt. Beatrice hielt ihr die Hand und flüsterte beruhigende Worte. Barmherzigerweise dauerte es nicht lange, bis Sofia völlig weggetreten war.
    «Das Chloroform wirkt nicht beliebig lang», erklärte der Arzt und schob rasch die Bettdecke beiseite. Beatrice sah zu, wie er Sofias Nachthemd bis zur Brust aufschnitt und zur Seite zog. Dann wusch er ihr den prallen Bauch mit einem Mittel aus einer Flasche. Der Geruch war so stark, dass ihr die Augen tränten. Wie in Trance beobachtete Beatrice seine präzisen Bewegungen.
    «Reichen Sie mir das Skalpell, Fräulein Löwenström», sagte er.
    Sie reichte ihm das Messer, auf das er gezeigt hatte. Ohne zu zögern, führte Eberhardt mit sicherer Hand einen tiefen Schnitt quer über Sofias Bauch. Blut begann hervorzuquellen, und Beatrice wurde schwindlig.
    «Fräulein Löwenström!» Die deutsche Stimme drang wie durch dichten Nebel zu ihr. «Sie werden

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