Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
weißes Lächeln aufblitzen.
Die Vitalität dieses jungen Mannes blendet einen geradezu, dachte Seth. War er selbst jemals so froh und unbekümmert gewesen? «Wohnen Sie auch hier in Rouen?», fragte er, um irgendetwas zu sagen.
«Nein, meine Familie hat ein Gut weiter im Süden, aber ich bin mit Vivienne und meinem Neffen Lancelot schon seit dem Frühjahr hier.» Der Prinz zwinkerte. «Diesen Sommer ist es mir ungewöhnlich schwergefallen, mich von Rouen loszureißen.»
«Ja, ich habe gehört, dass das Erntefest eine große Attraktion ist», meinte Seth höflich.
«Unter anderem», stimmte Alexandre mit geheimnisvollem Lächeln zu. «Ich versuche, die Kathedrale von Rouen zu malen.»
Das erklärte die beklecksten Hände. Ein Künstler. «Und, machen Sie Fortschritte?», erkundigte sich Seth pflichtschuldig.
Alexandre schüttelte den Kopf. «Ich kann mich nur schwer konzentrieren, und das Licht ist irgendwie immer falsch. Ich frage mich langsam, ob ich mich nicht eine Weile anderen Dingen zuwenden sollte.»
Seth, der bemerkt hatte, dass sämtliche Damen im Saal beim Anblick des Künstlerprinzen in Verzückung gerieten, nahm an, dass es dem jungen Mann nicht schwerfallen dürfte, eine andere Beschäftigung zu finden. «Sieht so aus, als könnte einen hier wirklich viel ablenken», bemerkte er und musste sich bemühen, nicht allzu sauertöpfisch zu klingen. Endlich kam der Whisky, und Seth nahm einen kräftigen Schluck.
«Monsieur Hammerstaal», hörte er eine bekannte Stimme. «Lange nicht gesehen.»
Seth drehte sich um und beugte sich über Viviennes ausgestreckte Hand. «Danke für die Einladung, Madame de Beaumarchais», sagte er.
Vivienne klimperte mit den Wimpern. «Wie ich sehe, haben Sie meinen Cousin schon kennengelernt. Alexandre hat den Sommer mit uns auf dem Schloss verbracht. Wir wussten seine Gesellschaft sehr zu schätzen.» Sie wandte sich an ihren Cousin. «Alexandre, mein Engel, wärst du so lieb, mir kurz zu helfen?»
«Natürlich.» Der Prinz nickte den Männern zu und stellte sein Glas ab. «An Ihren Whisky könnte ich mich wirklich gewöhnen», sagte er und bot dann Vivienne den Arm.
Seth beobachtete, wie das elegante Paar davonging.
Jacques bedachte ihn mit einem seltsamen Blick.
«Was denn?», fragte Seth.
«Nichts», antwortete Jacques.
Später am Abend drängte Vivienne Jacques in eine Ecke vor dem Festsaal. Die Gäste kamen in immer größeren Scharen, sie freuten sich auf die Gesellschaft und das Abendessen. Die Kerzenflammen der Kandelaber spiegelten sich in den Fenstern. Frohe Ausrufe und muntere Begrüßungen zeugten davon, dass auch dieses Fest wieder ein Erfolg werden würde. Doch Viviennes Augen funkelten vor Zorn. «Er weiß es nicht, stimmt’s?», zischte sie vorwurfsvoll.
Unschuldig riss Jacques die Augen auf. «Weiß was nicht?»
«Spiel nicht den Dummen. Ich finde das überhaupt nicht amüsant. Wie kannst du so dämlich sein, ihm nicht zu sagen, dass Beatrice hier ist?»
«Ich dachte, das ist nicht so wichtig», verteidigte sich Jacques und hob die Arme. «Seth ist doch mit Lily verlobt. Zwischen ihm und Beatrice ist gar nichts mehr.» Er fuhr sich durch die schwarzen Locken.
«Jacques!»
«Warum sollte ich ihm denn etwas sagen? Wir sind Männer, wir reden nicht über solche Dinge. Du glaubst doch nicht etwa, dass die beiden noch Gefühle füreinander hegen?»
Vivienne stieß ihn vor die Brust. «Ich habe wahrscheinlich in meinem ganzen Leben noch keinen Mann getroffen, der so schwer von Begriff war wie du.»
« Chérie , wir sind alle gleich.» Jacques lächelte überlegen und wich ihrem wütenden Gefuchtel elegant aus. Dann legte er ihr eine Hand auf den Rücken und schob sie mit sanftem Druck in den Festsaal. «Außerdem glaube ich, dass du überreagierst», fuhr er fort. «Das ist doch schon so lange her. Alles wird gutgehen, beide sind darüber hinweg.»
«Aber merkst du denn nicht, wie er aussieht? Völlig zerstört und zynisch. Und Beatrice war ein Wrack, als sie im Frühling hier ankam.» Vivienne schüttelte den Kopf. «Diese beiden werden noch explodieren. Wie Öl und Wasser. Und das ist dann deine Schuld.»
«Erstens bekommst du die Metaphern durcheinander, und zweitens bin ich überzeugt, dass es keine Probleme geben wird. Verdammt, Seth ist verlobt. Er denkt bestimmt nicht darüber nach, wer hier ist und wer nicht.»
«Ich weiß, dass ich recht habe», beharrte Vivienne finster auf ihrer Ahnung.
«Hör auf, dir Sorgen zu machen», sagte
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