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Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Titel: Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simona Ahrnstedt
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Rosenholm auf ein Bankkonto in Paris überwiesen wurden, und solange sie sich keine größeren Ausschweifungen leistete, war sie zum ersten Mal in ihrem Leben finanziell unabhängig. Sie sog die aromatische Luft in die Lungen und atmete langsam wieder aus. Vivienne plauderte, die Bienen summten, und das Leben ging weiter.
    Das Leben ohne Seth.
    Sofia schrieb ihr regelmäßig, und Beatrice freute sich immer sehr auf die Briefe, in denen ihre Cousine von größeren und kleineren Vorkommnissen erzählte, von ihrem Sohn, der seine ersten Zähnchen bekommen hatte, von Värmland, von der Liebe und der Sehnsucht. In einem ihrer Briefe hatte Sofia außerdem erwähnt, dass Seth inzwischen mit Lily in New York wohnte.
    Beatrice blickte blinzelnd zum Schloss, während sie ihre düsteren Gedanken abschüttelte. Hinter dem Schloss und dem künstlich angelegten See waren Teile der normannischen Hauptstadt Rouen zu sehen.
    Wie seltsam, was das Leben für neue Wege nahm, wenn man am wenigsten damit rechnete.
    Bei einem ihrer Spaziergänge nach Rouen war Beatrice mit einem älteren Pfarrer ins Gespräch gekommen, der ihr nur zu gern die Fragen zur Geschichte dieser Gegend beantwortete. Als er hörte, dass der Mädchenname ihrer Mutter Lianville gewesen war, runzelte er die Stirn. Er zeigte ihr einen alten Friedhof, und dort, zwischen Unkraut und vergessenen Grabsteinen, sah Beatrice den Namen Lianville und mehrere Daten auf einem Grabstein. Es war unerwartet schmerzlich, die Namen von Menschen zu lesen, die ihre Großeltern, Tanten und Cousinen gewesen sein mussten, und dabei von dem Pfarrer zu erfahren, dass von der Familie Lianville keiner mehr lebte. An jenem Abend hatte sie geweint. Doch dann hatte sie ihren Frieden mit der Tatsache gemacht, dass sie auf sich selbst gestellt war.
    Sie wickelte sich eine Strähne um den Finger und lächelte in sich hinein. Sie liebte ihr neues Haar. Inzwischen war es schulterlang und ließ sich von keiner von Viviennes Kammerzofen bändigen. Ich fühle mich wie eine neue Frau, dachte sie, eine Frau mit wilden Locken und phantastischen Kleidern. Vivienne hatte sie geradezu angefleht, etwas mit ihrer Garderobe zu unternehmen, und eines Tages im Mai beschloss Beatrice, alle alten Sachen wegzuwerfen und einen symbolischen Neuanfang zu machen. Einen Monat später war Vivennes Pariser Schneiderin, die kleine braunäugige Mademoiselle Colette, auf dem Schloss eingetroffen und hatte sich um Beatrice gekümmert. Und ein paar Wochen nach ihrem ersten Besuch kamen nach und nach die ersten neuen Kleider im Château Morgaine an. Und was waren das für wundervolle Stücke! Kleider mit schlichtem Schnitt, die perfekt fielen und Beatrices Figur schmeichelten, weiche Unterkleider, Mäntel und Hüte für alle Wetterlagen. Schon bald hatte sie sich an ihre exquisite Garderobe gewöhnt, und als Beatrice auf einer von Viviennes zahlreichen Veranstaltungen ihr lindgrünes Musselinkleid einweihte, traf sie zum ersten Mal Alexandre.
    Beatrice musste lächeln, als sie daran zurückdachte.
    Während Vivienne sie gelehrt hatte, in der Gegenwart zu leben, hatte Alexandre ihr die Fähigkeit zurückgegeben, wieder auf eine Zukunft zu hoffen. Als er sie das erste Mal küsste, hatte sie Angst, dass sie es abstoßend finden könnte, doch die Küsse des Prinzen waren sehr angenehm.
    Beatrice und Alexandre begegneten sich den Sommer über noch häufiger, und sie hatte den schwarzhaarigen Prinzen bald liebgewonnen.
    Sehr sogar, dachte sie, als sie die Augen aufschlug und ihn über die Wiese näherkommen sah. Seit der Revolution wimmelte es in Frankreich nur so von Adeligen buntester Herkunft, doch Alexandre war ein echter Aristokrat. Er war ein Cousin von Vivienne, und seine Familie gehörte zu den ältesten französischen Adelsgeschlechtern. Beatrice legte den Handrücken an die Stirn. «Wird man eigentlich Prinzessin, wenn man Alexandre heiratet?», murmelte sie, während sie ihn durch die halbgeschlossenen Augen bewunderte.
    «Ich hatte eigentlich nie den Eindruck, dass du hinter einem Adelstitel her bist», meinte Vivienne und winkte ihrem Cousin zu. «Reicht es dir nicht, dass du Gräfin geworden bist?»
    «Ach, Vivienne, ich hatte davon geträumt, aus Liebe zu heiraten, und schau dir an, was daraus geworden ist. Vielleicht wäre Alexandre ja der Richtige für mich? Wir mögen uns gern. Verliebt sind wir allerdings nicht.»
    «Aber warum willst du denn überhaupt heiraten?», wollte Vivienne wissen.
    «Ich hätte furchtbar gern

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