Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
einer seiner Träume? Mit einem kleinen Zwinkern, als teilten sie beide ein amüsantes Geheimnis, hielt sie ihm die Hand hin.
Seth bekam kein Wort heraus, er konnte sie nur anstarren. War sie ein Hirngespinst? War er zu guter Letzt nun doch verrückt geworden?
«Monsieur?»
Das Stimmengewirr drang wieder in sein Bewusstsein. Er holte tief Luft, gewann die Fassung wieder und verbeugte sich kurz. Beatrice lächelte und nickte, sodass ihre Locken in den Kerzenflammen aufglühten, dann ging sie davon.
Er blickte ihr nach, sah ihren Rücken, die schmalen Schultern und das flammende Haar. Er war in der Hölle.
Ich habe es überlebt, dachte Beatrice und ließ sich zum nächsten Gast treiben. Sie hatte gelächelt, geplaudert und war weitergegangen. Zwar konnte sie sich an kein Wort erinnern, das sie gesprochen hatten, denn ihr Herz hatte so heftig geklopft, dass sie schon befürchtete, sie müsste gleich ersticken. Oder sich übergeben. Doch sie hatte es geschafft. Sie hatte Seths zukünftige Ehefrau kennengelernt, hatte sie formvollendet begrüßt und ein paar belanglose Höflichkeitsphrasen mit ihr ausgetauscht, und dann hatte sie Seth begrüßt – und sie hatte es überlebt. Mit äußerster Mühe zwang sie sich, leichtfüßig weiter durch den Raum zu gehen, als wäre sie völlig unbekümmert. Das Schlimmste war überstanden.
«Guten Abend, meine Schöne», sagte Alexandre, als er geschmeidig zu ihr trat, und zum ersten Mal an diesem Abend lächelte Beatrice wirklich aufrichtig.
Der Prinz blickte zu Seth hinüber. «Jacques Denville und dieser Seth Hammerstaal haben mich vorhin auf einen Whisky eingeladen. Kennst du ihn?» Beatrice antwortete nicht. «Netter Kerl, allerdings ein bisschen schweigsam», fuhr Alexandre fort, während sein Blick an Lily hängen blieb. «Seine Verlobte interessiert sich für Geschichte, deswegen habe ich die beiden für morgen zu einer Rundfahrt durch Rouen eingeladen.»
Seth konnte den Blick nicht von Beatrice losreißen. Während sie sich mit D’Aubigny unterhielt, ging ihm schlagartig auf, welche Ablenkung den Prinzen in Rouen festhielt. Der schwarzhaarige Jüngling verschlang Beatrice geradezu mit seinen Blicken. Alexandre beugte sich zu ihr herunter, und diese intime Geste nahm Seth fast den Atem. Der junge Mann flüsterte etwas, und Beatrice lachte laut, bevor sie ihm einen Klaps mit ihrem Fächer versetzte. Seth schnappte sich ein Glas von einem Tablett, das ein Diener an ihm vorbeitrug.
«Vivienne ist ganz sicher, dass die beiden eine Affäre haben», sagte Jacques nonchalant.
Seth sah seinen Freund an, der neben ihn getreten war und genüsslich von seinem Champagner trank. «Warum erzählst du mir das?», schnauzte er ihn an.
«Hat keinen besonderen Grund, reine Konversation.»
«Ist der nicht viel zu jung für sie?»
Jacques zuckte mit den Schultern. «Er ist der begehrteste Junggeselle hier in der Gegend. Er ist ein Prinz, und er sieht gut aus. Außerdem ist er gar nicht so jung, er ist bestimmt schon über zwanzig.» Er nippte an dem perlenden Getränk. «Du bist dieses Jahr einunddreißig geworden, nicht wahr?»
«Fahr zur Hölle», sagte Seth und leerte sein Glas in einem Zug. Er zog eine angeekelte Grimasse. Calvados. Er hasste Calvados.
«Wie ich sehe, hast du dich bestens für den Krieg gerüstet, chérie », sagte Vivienne kurz darauf zu Beatrice.
«Ich dachte mir, es wäre eine gute Gelegenheit, es einzuweihen», antwortete Beatrice leichthin.
Die Französin ließ den Blick über das enge, tief ausgeschnittene Kleid gleiten. Unter der himbeerrot schimmernden Seide zeichneten sich Beatrices Rippen ab. In diesem Kleid sah sie beneidenswert schlank und groß aus, und zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte Vivienne beinahe, sie wäre auch so groß. «Mademoiselle Colette wusste schon, was sie tat, als sie diese Farbe für dich ausgesucht hat. Sie steht dir wirklich ausgezeichnet», stellte sie fest.
Beatrice nickte in eine unbestimmte Richtung und sagte nonchalant: «Und, was hältst du von ihr?»
«Ich nehme an, du sprichst von Lady Tremaine?» Vivienne nahm einen kleinen goldenen Schluck aus ihrem beschlagenen Glas.
«Sie bleicht sich das Haar bestimmt mit Zitronensaft», murmelte Beatrice. «Und dieses Kleid ist doch einfach nur langweilig. Oder findest du, dass ihr die Farbe steht?»
Vivienne betrachtete die blonde Frau an Seths Seite. «Ich finde, sie ist recht liebenswert», meinte sie nachdenklich.
Beatrice schnaubte. «Sie ist nicht
Weitere Kostenlose Bücher