Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
eine Familie», antwortete Beatrice. «Du nicht?»
«Ehemänner und Kinder werden schrecklich überschätzt, wenn du mich fragst.» Vivienne nahm noch eine Weintraube und betrachtete nachdenklich den jungen Mann, der sich ihnen mit kraftvollen Schritten näherte. «Aber die Antwort heißt Ja: Wenn du Alexandre heiratest, wirst du Prinzessin.»
Plötzlich kam ein Junge über die Wiese gerannt. Es war Lancelot St. Cyr, Alexandres Neffe, der seinen Onkel jetzt mit einem fröhlichen Schrei rammte. Ohne seine Schritte zu verlangsamen, hob der schwarzhaarige Prinz den Jungen hoch und warf ihn sich über die Schulter. Dabei spannten sich seine Arm- und Brustmuskeln, und die beiden Frauen unter dem Sonnensegel seufzten bei dem Anblick. Alexandre setzte den Jungen wieder ab, verbeugte sich vor den Damen und tat dann einen Schritt zur Seite, um einem neuerlichen Angriff von Lancelot auszuweichen. Er ließ sich von dem Jungen zu Boden ziehen und begann mit ihm zu raufen.
Beatrice nahm sich noch ein Stück Käse und betrachtete den Mann, der sich mit dem Kind im Gras wälzte.
«Wenn du nicht aufhörst, Camembert in dich hineinzustopfen, wirst du bald zu fett sein, um anziehend auf deinen Prinzen zu wirken», bemerkte Vivienne. Sie lächelte schlau. «Aber es freut mich, dass du deinen Blick nicht von meinem Cousin losreißen kannst. Dann hast du doch sicher auch nichts dagegen, dass Jacques auch Seth Hammerstaal zum Erntefest eingeladen hat, nicht wahr? Er kommt mir Lady Tremaine und ihrem Sohn.»
Beatrice erstarrte. «Hierher?», fragte sie dümmlich. Ich will Seth und seine amerikanische Frau nicht treffen, dachte sie verzweifelt. Nicht hier. Nicht in Frankreich. Und auch sonst nirgends und niemals mehr!
«Es ist doch schon über ein Jahr her, dass du ihn zum letzten Mal gesehen hast, oder?», sagte Vivienne unbekümmert. «Ich bin sicher, ihr könnt zivilisiert miteinander umgehen.»
Beatrice spürte einen Stich im Herzen. Vivienne hatte leicht reden, sie war immer zivilisiert. Und Seth hatte die Sache inzwischen ja auch hinter sich gelassen. Doch was sollte sie sagen? Sie konnte Jacques schwerlich davon abhalten einzuladen, wen er wollte. «Ich schätze, schon», antwortete sie matt. «Reich mir doch bitte noch einmal die Käseplatte.»
«Nimm lieber ein Stück Obst», mahnte Vivienne. «Ich kann mir nichts Unattraktiveres vorstellen als eine fette Prinzessin.»
Mit finsterer Miene nahm sich Beatrice einen Apfel. Lily Tremaine war bestimmt gertenschlank.
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34
Seth ließ sich von einem schwarz gekleideten Diener ein Glas Calvados servieren, während er sich in einem der größten Salons von Château Morgaine umsah. Ohne nachzudenken, nahm er einen Schluck von dem Apfelschnaps, bevor er das Glas mit einer Grimasse neben einem Arrangement aus Obst und Blumen abstellte.
«Ich traue mich nie, mich hier hinzusetzen», begrüßte ihn Jacques. «Die Möbel sind alle so weiß.»
«Ich könnte wetten, dass die Crème de la Crème der europäischen Elite vollständig hier versammelt ist», meinte Seth und nickte einem bekannten Geschäftsmann zu.
«Wie war die Reise?»
Seth schüttelte den Kopf. «Wenn ich diesen verfluchten Kanal noch einmal überqueren muss, bringe ich jemand um.»
«Und wie geht es deiner Verlobten?»
«Lily ruht sich aus, und Daniel ist gleich im Park verschwunden. Anscheinend hat er einen gleichaltrigen Spielkameraden gefunden.»
Jacques grinste. «So, dann bist du jetzt also verlobt, mein Freund. Das hatte ich nicht erwartet, muss ich zugeben. Solltest du nicht vor Glück strahlen?»
«Wie geht es denn Vivienne?», wechselte Seth das Thema. «Ich habe sie noch gar nicht gesehen.»
Jacques kam nicht zu einer Antwort, denn er musste einem jungen Mann zuwinken, der gerade eingetreten war. «Alexandre, komm her und begrüß einen meiner ältesten Freunde», rief er. Seth verzog das Gesicht. Das klang ja, als wäre er uralt. «Darf ich vorstellen – Viviennes Cousin, Prinz Alexandre St. Cyr D’Aubigny.»
«Alexandre reicht vollkommen», lächelte der Mann. Sein Händedruck war fest, und seine schwarzen Augen betrachteten Seth mit einer solchen Intensität, dass er sich wirklich älter denn je vorkam.
Jacques wandte sich an einen Diener. «In der Bibliothek steht eine Flasche Whisky. Hol sie her und bring ein paar Gläser dazu.» Der Diener eilte davon. «Seth hat nämlich Whisky aus England mitgebracht», erklärte Jacques, und Alexandre ließ ein weiteres strahlend
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