Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
klopfte auf das Fell, das vor ihm lag, und sie legte sich mit dem Rücken zu ihm auf den Boden und ließ sich von seinen starken Armen umfassen. «Ich dachte, dass dich das mittlerweile nicht mehr schockiert», murmelte er an ihrem Nacken. «Wie ich gesehen habe, liegt Darwin auf deinem Nachttisch. Dann weißt du doch auch, was der gute Mann sagt. Wir sind Tiere, adorée .»
«Hast du Darwin gelesen?» Sie konnte sich die Frage nicht verkneifen.
«Ich merke, dass du meine Allgemeinbildung nicht allzu hoch einschätzt», sagte Seth hinter ihr. «Aber es soll tatsächlich schon geschehen sein, dass ich das eine oder andere Buch aufgeschlagen habe. In deinem Zimmer habe ich mehrere Bücherstapel gesehen. Hast du die alle schon gelesen?», fragte er und fuhr ihr mit einem Finger über den Arm.
«Fast alle.» Sie schnurrte wie ein Kätzchen unter seiner Berührung.
«Ich lese gerade ein Buch auf Norwegisch, Ein Puppenheim », erzählte sie. «Ich musste mir immer anhören, dass Männer Frauen bevorzugen, die nicht so viel lesen», fuhr sie zögernd fort. «Und mein Leben lang musste ich mir von Männern vorschreiben lassen, was ich lesen soll. Erst von Papa, dann von Wilhelm. Und zuletzt von ihm.» Sie verstummte und starrte ins Kaminfeuer.
«Es würde mir im Traum nicht einfallen, dir zu sagen, welche Bücher du lesen darfst oder nicht», flüsterte Seth und legte die Hand auf ihre Hüfte. «Lies alles, was du willst.» Seine Hand verschwand, hinter ihr raschelte etwas, und sie wandte neugierig den Kopf. «Lies zum Beispiel doch mal dies hier.» Er zog ein Buch hervor, das diskret in braunes Papier eingeschlagen war. Beatrice spürte, wie sie rot anlief. «Was ist das?», fragte sie, obwohl sie ziemlich sicher war, sowohl den Umschlag als auch das Buch zu erkennen. «Wo hast du das gefunden?», wollte sie wissen.
Mit einem breiten Grinsen sah Seth sie an und öffnete das Buch aufs Geratewohl. Eingehend musterte er die aufgeschlagene Seite. Beatrice wusste, dass Seth mehrere Sprachen fließend sprach, aber vielleicht gibt es ja doch eine, die er nicht kann, hoffte sie. Es wäre schön, wenn er zum Beispiel kein Italienisch könnte. Andererseits bedurfte es keinerlei fundierter Sprachkenntnisse, um die Illustrationen des berühmten erotischen Buches von Pietro Aretino und Giuliano Romano zu verstehen, stöhnte sie innerlich. Die waren nämlich ziemlich eindeutig und ausdrucksstark. «Kannst du Italienisch?», fragte sie und wagte es nicht, ihn anzusehen.
Seth blätterte zur nächsten Seite und zog die Augenbrauen hoch. «Ich würde sagen, die interessantere Frage in diesem Zusammenhang lautet: Kannst du Italienisch? Ich nehme an, das hier hast du auch gelesen, Liebling.» Er blätterte weiter. «Ja», antwortete er lachend, «und das erkenne ich definitiv wieder.» Vergnügt sah er sie an. «Wie sich herausstellt, steckt meine zukünftige Frau voll spannender Geheimnisse. Woher hast du das denn?»
«Es war eigentlich nicht so gedacht, dass du es entdeckst», antwortete sie beschämt. «Ich habe es in der Bibliothek gefunden. Dort gibt es noch mehr von der Sorte. Irgendjemand muss wohl ein gewisses Sammlerinteresse gehabt haben.»
Seth blätterte weiter. «Ich hatte ja keine Ahnung, dass meine Bibliothek so gut sortiert ist», meinte er. «Ich sollte sie bei Gelegenheit auch einmal etwas gründlicher durchsehen.» Versunken blätterte er in dem Buch, und Beatrice betrachtete ihn nachdenklich.
«Und wenn ich jetzt sagen würde, dass ich mich gern um die Bibliothek auf Wadenstierna kümmern würde», meinte sie schließlich, «würdest du mir das erlauben?»
Seth schüttelte den Kopf. «Nein.»
Enttäuscht sank sie in sich zusammen. «Du hast doch gesagt, du würdest mir nicht vorschreiben, was ich lesen darf. Ich dachte …»
Seth zog sie wieder an sich. «Was ich sagen wollte, ist, dass es nicht meine Bibliothek ist, sondern unsere. Du darfst damit machen, was du willst.»
«Meinst du das im Ernst?», hauchte sie.
«Wenn du willst, können wir auch einfach sagen, dass es nur deine ist. Ich habe sowieso den Verdacht, dass du die Intelligentere von uns beiden bist.» Er beugte sich vor, um sie zu küssen.
Als Beatrice mit einem Ruck hochfuhr, bekam er ihre Schulter direkt auf die Nase.
«Ich habe jede Menge Ideen, was man alles machen könnte», sagte sie eifrig und sprang auf, ohne sich um seine schmerzverzerrte Grimasse zu kümmern. Während Seth sich die Nase massierte, lief Beatrice zum Schreibtisch. Sie
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