Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
hier das Heim ihrer Kindheit ist?»
Sie schüttelte den Kopf über seinen Versuch, ihre Liebe zu ihrer Cousine noch einmal für seine eigenen Zwecke zu missbrauchen. «Mit Sofia habe ich schon gesprochen», antwortete sie. «Und was soll ich dir sagen … sie hat mir ihren Segen gegeben. Offenbar hat sie nicht ausreichend glückliche Erinnerungen an diesen Ort, um sich darum zu scheren, was mit diesem Haus geschehen wird. Vor allem nicht, nachdem sie erfahren musste, dass meine Ehe mit dem Grafen durch Erpressung zustande gekommen ist. Ich glaube, du solltest eher nicht damit rechnen, dass sie dich in nächster Zeit sehen will. Und Tante Harriet hat dich doch schon verlassen, nicht wahr? Soweit ich informiert bin, ist sie bei Johans Mutter in Gröndal und hat nicht die Absicht, zu dir zurückzukehren.» Beatrice holte tief Luft. «Was irgendwelche anderen Leute sagen werden, ist mir völlig gleichgültig.»
«Deine Großmutter war doch verrückt», tobte ihr Onkel. «Sie hätte dieses Testament nie schreiben dürfen, das war verkehrt. Und du schuldest mir mehr als das, du Schlampe. Ohne mich hättest du überhaupt nichts gehabt.»
«Ich nehme an, darüber haben wir verschiedene Ansichten», erwiderte sie und versuchte, ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen. Sie glaubte nicht, dass er sie schlagen würde, aber sicher war sie nicht.
«Was willst du mit dem Haus anfangen?», schrie Wilhelm und schlug mit der Faust auf den Tisch. «Bekommst du nicht genug Geld von deinem norwegischen Abschaum? Kann er dich nicht versorgen? Warum willst du mich demütigen und auf die Straße werfen?»
«Ach, hatte ich das gar nicht erwähnt? Ich habe eine Stiftung ins Leben gerufen», gab sie ruhig zurück. «Nächsten Monat wird sie der ersten Stipendiatin das Aurore-Löwenström-Studienstipendium für begabte junge Frauen gewähren. In diese Stiftung werden sowohl das Geld aus dem Verkauf von Rosenholm als auch der Erlös aus Großmutters Erbe fließen. Das hätte ihr sicher gefallen, meinst du nicht auch?» Beatrice überlegte. «Was Graf Rosenschöld angeht, habe ich eher meine Zweifel. Wenn ich mich recht erinnere, hatte der Graf nicht viel übrig für die Emanzipation der Frau und ihr Recht auf Bildung.» Sie zuckte mit den Schultern und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. Die Konfrontation war unerwartet schmerzlich gewesen, und sie hätte am liebsten geweint. So lange war sie wütend gewesen, doch jetzt war sie nur noch traurig darüber, dass es so weit hatte kommen können zwischen zwei Menschen, die einander eigentlich am Herzen liegen sollten. «Ich muss jetzt gehen», sagte sie. «Sonst ist zu befürchten, dass mein zukünftiger Mann hier hereinkommt und dich in Stücke reißt. Er ist nicht so zivilisiert, wie er aussieht. Er kann tatsächlich ziemlich gewalttätig werden, wenn man ihn provoziert.» Sie sah Wilhelm fest an. Der war dunkelrot angelaufen und konnte nur noch pfeifend Luft holen. Die pochende Ader an seiner Schläfe sah aus, als könnte sie jeden Moment platzen. Aber so hatte er auch früher schon oft ausgesehen, dann würde er jetzt wohl auch nicht gleich an seinem Zorn sterben. Sie legte die Hand auf die Klinke und drehte sich ein letztes Mal um, um den Mann anzusehen, der nun endgültig keine Macht mehr über sie hatte. «Vergiss nicht, die Rute einzupacken, Onkel . Du weißt ja, wo du sie findest.»
Sie verbrachten die Nacht in Seths Haus am Blasieholmstorg und fuhren früh am nächsten Morgen zurück nach Wadenstierna.
Am Abend saßen sie am Kaminfeuer in Seths Arbeitszimmer und konnten sich nicht aufraffen, schlafen zu gehen. Durch die Tür drangen vereinzelte Geräusche, aber allmählich wurde es immer leiser im Schloss, bis nur noch das Prasseln des Feuers zu hören war. Beatrice stützte das Kinn auf die Knie und sah in die Flamme. Seth lag, halb aufgestützt, hinter ihr.
«Morgen heiraten wir», sagte er. «Bist du glücklich?» Er strich ihr über den Rücken. Sie hatten Polster und Pelzdecken auf dem Boden ausgebreitet, großzügig eingeschürt und sich geliebt, während es Nacht wurde. Nun war es anderthalb Jahre her, dass sie sich in diesem Raum jenen leidenschaftlichen Kuss gegeben hatten, dachte Beatrice wehmütig. An dem Abend, an dem Sofia ihre Verlobung bekanntgab und noch so viel andere Dinge passierten.
«Ich bin glücklich. Aber manchmal schäme ich mich doch für das, was wir hier treiben», antwortete sie und schüttelte ihre Wehmut ab. «Wie die Tiere.»
Seth
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