Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
der immer noch vom Himmel fiel und die Landschaft unter einer dicken weißen Decke begrub.
Beatrice und Seth zogen sich gegen Mitternacht zurück. Sie gingen durch die Flure und hörten, wie die Geräusche des Festes allmählich von den dicken Steinwänden verschluckt wurden. Schließlich blieben sie vor einer Tür stehen, die Beatrice nicht kannte. «Das ist aber nicht dein Zimmer», stellte sie fest. Doch sie war neugierig. Wadenstierna war groß und vieles für sie noch unerforschtes Territorium.
«Das ist das große Schlafzimmer, auch Fürstenschlafzimmer genannt», erklärte Seth und hielt ihr die Tür auf. «Ich glaube, dass einer der Schlossbesitzer größenwahnsinnig war. Der Raum ist so übertrieben riesig, dass ich ihn bis heute nie benutzen wollte, aber jetzt habe ich ihn für uns herrichten lassen.»
Beatrice trat ein und sah sich um. Bis jetzt hatte jeder von ihnen sein eigenes Schlafzimmer besessen. Es war durchaus üblich, dass Ehepartner getrennte Schlafzimmer hatten, und insgeheim hatte sie schon befürchtet, dass sie es auch so halten würden. «Das ist ja wundervoll», rief sie daher entzückt, als er die Tür hinter ihnen schloss. An den Wänden hingen farbenfrohe Wandbehänge, der Boden war mit dicken Teppichen bedeckt, und die Decke war in hellen Farben gestrichen. Das gigantische Himmelbett hatte man mit cremefarbenen Stoffen bezogen, und im Kamin – der gut und gern drei Meter breit war – brannte ein riesiges Feuer gegen die Kälte, die durch die Ritzen der zahlreichen Fenster hereindringen wollte. «Wer ist das?» Beatrice deutete mit einem Nicken auf das große Porträt eines dunklen, ernst dreinblickenden Mannes.
«Das ist Markus Lucifer, der erste Besitzer von Wadenstierna. Ich mag seine grimmige Miene», antwortete Seth. Er trat neben sie. «Es ist Brauch, dass die Braut eine Morgengabe bekommt, einen symbolischen Dank für ihre Unschuld. Ich schätze, ich sollte eigentlich bis zum Morgen warten, aber da es sowieso schon ein bisschen spät ist …» Er reichte ihr einen dicken Umschlag, den er die ganze Zeit hinter dem Rücken versteckt hatte.
«Was ist das?», fragte Beatrice neugierig.
Seth sah zu, wie seine frisch angetraute Ehefrau mit gerunzelter Stirn das Kuvert öffnete, die Papiere mit den Stempeln und Siegeln herauszog und sofort begriff, was die komplizierten französischen Dokumente zu bedeuten hatten.
«Wie hast du das gemacht?», fragte sie leise.
Seth lächelte und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor er sie zart küsste. «Nichts ist schwer, wenn man die richtige Hilfe hat», erwiderte er. «Ich habe meinen Sekretär und seine Assistenten suchen lassen, bis sie das Haus deiner Mutter gefunden hatten. Es stand schon lange leer. Der Besitzer war richtig froh, es loszuwerden. Und jetzt ist es auf deinen Namen eingetragen.»
«Das Haus, in dem Mama ihre Kindheit verbracht hat! Du ahnst nicht, was mir das bedeutet. Oder vielleicht doch …» Sie las die Adresse laut und begann zu strahlen. «Heißt das, dass wir Vivienne und Jacques als Nachbarn haben werden?»
«Ja», bestätigte Seth.
Beatrice legte ihm eine Hand auf die Wange. «Ich weiß deine Geschenke wirklich zu schätzen. Aber ich will im Grunde nur dich. Alles andere ist mir unwichtig, sogar Mamas Haus», flüsterte sie.
Seth schluckte. Irgendetwas an dieser Frau machte ihn völlig hilflos. Doch als Beatrice hinter dem Handrücken ein Gähnen zu unterdrücken versuchte, musste er lächeln.
«Verzeih mir, aber es war ein ereignisreicher Tag», entschuldigte sie sich.
«Und er ist noch nicht zu Ende», flüsterte er und zog sie an sich.
Beatrice hob die Hände, um sich die Diamantketten aus dem Haar zu nehmen, doch Seth hielt sie zurück. «Nein, das will ich machen», bat er. «Erlaube mir, dass ich dich ausziehe.» Langsam, fast schon ehrfürchtig begann er, ihr die Haarnadeln aus der Frisur zu ziehen. Vorsichtig löste er die dünnen Kettchen, ließ die Finger durch ihr Haar gleiten und ordnete ihre Locken Strähne für Strähne. Beatrices Lider flatterten. Als er begann, ihr die Kopfhaut zu massieren, schloss sie genüsslich die Augen. Sehnsüchtig ließ er die Hände über ihren Rücken zu den Stickereien auf ihrem Kleid wandern. Sie drückte sich an ihn, weich wie ein kleines Kätzchen. Er hörte, wie sie erneut ein Gähnen unterdrückte. «Müde?», flüsterte er.
«Entschuldige», murmelte sie und stöhnte zufrieden auf, als er ihren Nacken sanft massierte. Er zog ihr das
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