Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
spendierfreudige Seite unterhalten», sagte sie lächelnd, doch insgeheim versetzte es ihr einen Stich in die Brust. Nie hatte sie in all den Jahren etwas bekommen, so oft hatte sie danebenstehen und zusehen müssen, wie Sofia Geschenke erhielt, während sie sich einredete, sie sei nicht neidisch. Sie fragte sich, ob er das gespürt haben mochte.
«Das habe ich schon vor langer Zeit für dich gekauft. An dem Tag, an dem wir auf Irislund auseinandergingen», sagte er. «Weißt du noch?»
Sie nickte mit glänzenden Augen. Natürlich erinnerte sie sich.
«Es gab eine Zeit, da war ich sicher, dass du sie niemals tragen würdest, aber sie haben immer dir gehört», fuhr er ernst fort.
Beatrice nahm das Etui entgegen. Als sie es vorsichtig geöffnet hatte, blieb ihr die Luft weg. Die blauen Steine, die auf dem dicken blauen Samt ruhten, sahen aus, als wären sie lebendig und würde nur darauf warten, von ihrer rechtmäßigen Besitzerin getragen zu werden. Ehrfürchtig strich sie mit der Hand über das blaue Feuer der wundervollen Saphire. Zackelius. Auf einmal fiel ihr wieder ein, in welchem Zusammenhang sie den Namen schon einmal gehört hatte. Tante Harriet und Leonites Mutter hatten an jenem Tag über Seth und seine Liebhaberinnen geklatscht und über den teuren Schmuck, den er bei Zackelius gekauft hätte. Doch er hatte ihn für sie gekauft, nicht für eine andere. Für sie. Zum Kuckuck, jetzt fing sie auch noch an zu weinen. Das würde bestimmt Spuren auf ihrem sorgfältig gepuderten Gesicht hinterlassen.
Die Kirchenglocken von Wadenstierna ertönten bereits, als Beatrice aus dem Schlitten stieg, in dem sie den kurzen Weg zurückgelegt hatte. Die Kirche war Mitte des 14. Jahrhunderts vom ersten Eigentümer von Schloss Wadenstierna erbaut worden, und als Beatrice nun den fordernden Klang ihrer Glocken hörte, wurde ihr auf einmal ganz flau. Tat sie wirklich das Richtige? Langsam legte sie die Hand auf die Klinke und öffnete eine Seitentür.
Sofia empfing sie. «Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass du gar nicht mehr kommst», flüsterte sie. «Warum hast du denn so lange gebraucht?»
Beatrice antwortete nicht und spähte durch einen Spalt in das Mittelschiff. «So viele Leute?», rief sie erschrocken, als sie die vollbesetzten Bänke sah und das erwartungsvolle Gemurmel hörte. «Was machen die denn alle hier?» Sie starrte ihre Cousine an. Die Kirchenglocken läuteten noch immer, und plötzlich fiel ihr das Atmen schwer. «Ich weiß nicht, was das alles für Leute sind. Wir können doch unmöglich so viele Leute kennen! Die ganze Kirche ist ja voll.» Sie drückte sich den Brautstrauß fest gegen die Brust.
«In den zwei vordersten Reihen sitzen wir, deine Familie und deine engsten Freunde. Mehr muss dich gar nicht kümmern», beruhigte Sofia ihre Cousine. Sie runzelte die Stirn. «Bea? Geht es dir gut?»
Beatrice zog die Tür des Nebenraums wieder zu und sah ihre Cousine verschreckt an. «Worauf hab ich mich bloß eingelassen? Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Was, wenn ich hier einen Fehler begehe? Habe ich mir das wirklich gut überlegt? Nein, habe ich nicht. Das ging alles viel zu rasch.» Sie atmete immer schneller und sah sich um. Ihr Blick blieb an der Tür hängen, die in die Freiheit hinausführte.
«Meine Liebe, was …?»
«Tut mir leid, Sofia, aber ich glaube, ich habe es mir anders überlegt. Es ist ein Irrtum, ich bin nicht bereit. Noch nicht. Ich weiß nicht, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich will doch gar nicht heiraten, ich wollte allein leben, das hatte ich fast schon vergessen, aber jetzt weiß ich es wieder. Selbstständig und nicht abhängig von irgendeinem Mann.»
Rasch ging Sofia auf Beatrice zu. «Komm, ich helfe dir aus deinem Pelz», sagte sie. «Hier, halt du die Blumen, während ich dir die Schleppe richte. Nicht so fest, die gehen doch kaputt. Wo habt ihr eigentlich mitten im Dezember Freesien herbekommen?»
«Mir geht es gar nicht gut, ich glaube, ich muss mich übergeben», jammerte Beatrice.
«Du siehst wahnsinnig glücklich aus», beteuerte Sofia mit gespielter Fröhlichkeit, während sie behutsam den weißen Pelz über einen Stuhl legte. «Alles wird gut», murmelte sie.
«Aber das kannst du doch gar nicht wissen», rief Beatrice gereizt. «Wie kannst du bloß so etwas Dummes sagen?»
Sie hörten, wie die Kirchenorgel zu spielen begann, und Beatrice atmete schwer.
«Ich muss jetzt reingehen und mich zu Johan setzen», sagte Sofia. Sie drückte
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