Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
Beatrice die Hand. «Kommst du alleine zurecht?» Ihre Cousine starrte sie wortlos an. Sie war kalkweiß im Gesicht.
«Bea?»
«Was?»
«Du musst meine Hand loslassen.»
«Es geht mir gar nicht gut.» Beatrice deutete mit einer Kopfbewegung auf die Tür. «Geh raus und sag es ihnen. Wir müssen die Hochzeit auf einen anderen Tag verschieben, wenn es mir wieder besser geht.»
Sofia schüttelte resolut den Kopf. «Olav Erlingsen liebt dich wie eine Tochter. Seth betet den Boden an, auf dem du gehst. Alles wird gut.»
Automatisch nickte Beatrice, ließ Sofias Hand aber immer noch nicht los.
«Bea, schau mich an.» Sofia sah ihr fest in die Augen. «Das andere war falsch. Das hier ist richtig. Alles wird gut.»
«Ja», antwortete Beatrice und schluckte verängstigt.
«Da kommt dein Mann», sagte Sofia erleichtert, als Seth die Tür öffnete und mit großen, kraftvollen Schritten den Raum betrat. Sofia nahm die Hand ihrer Cousine und legte sie in seine.
Seine grauen Augen funkelten, und seine Kraft und das Gefühl von Geborgenheit, das er ihr gab, legten sich wie ein Mantel um Beatrice. «Du hast doch wohl keine Angst, chérie ?», sagte er lachend.
Beatrice schnaubte und streckte den Rücken durch. Seth musste lächeln.
«Pass auf, dass sie dir nicht entwischt», flüsterte Sofia, bevor sie leise in das Kirchenschiff trat.
«Nein, jetzt ist sie die Meine», sagte Seth.
Braut und Bräutigam schritten nebeneinander her zum Altar. Der norwegische Pfarrer mit den klugen Augen stand vorn neben dem Chor unter den bunten Glasfenstern und blickte liebevoll auf das Paar, das er gleich trauen sollte.
Zufrieden betrachtete Colette das Kleid und die lange Schleppe, an denen sie so hart gearbeitet hatte. Es war ein ausgesprochen exquisites Brautkleid, stellte sie ganz objektiv fest, vielleicht sogar das beste, das sie je angefertigt hatte.
Sie hatten lange darüber diskutiert, ob Beatrice in Weiß heiraten sollte, und hatten sich schließlich für einen vanillefarbenen Seidenstoff entschieden, der mit Steinen bestickt war, die wie nordische Sternschnuppen glitzerten. Die lange, schwere Schleppe glitt über den Gang, und die trompetenförmigen Ärmel, die ebenfalls mit Steinen bestickt waren, fielen ausgezeichnet. Die zukünftige Frau Hammerstaal hatte keinen Schleier haben wollen, was Colette für eine kluge Wahl hielt. So bildete das rote Haar mit den eingeflochtenen Diamanten einen auffälligen Kontrast zu all dem funkelnden Glanz. Colette hatte dem Kleid einen zeitlosen Schnitt gegeben, mit tiefer sitzender Hüftpartie und einem viereckigen Ausschnitt. Es sah aus wie das Kleid einer Prinzessin aus einer mittelalterlichen Sage und passte perfekt zu Beatrices apartem Aussehen. Anstelle einer Bibel trug sie einen erlesenen Brautstrauß.
Die Kirche selbst war mit den verschwenderischsten Blumenarrangements dekoriert, die Colette je gesehen hatte. Wenn Monsieur Hammerstaal mitten im Dezember ein Meer aus frischen Blumen wünschte, besorgte er sich anscheinend einfach eines.
Colette betrachtete die Saphire um Beatrices Hals. Sie waren freilich ein wenig extravagant für eine Braut, aber es war ja schon ihre zweite Hochzeit, und die Saphire standen der Schwedin ausgezeichnet. Die Schleppe knisterte leise, als das Brautpaar an ihr vorüberging, und obwohl die Schuhe von dem langen Rock verdeckt waren, wusste Colette, dass Beatrice ein Paar Seidenschuhe mit hohem Absatz trug, die mit Schneeglöckchen bestickt waren. Seth hatte sie ihr gekauft.
Das Brautpaar schritt an den Gästen vorbei auf den Pfarrer zu. Als die große Frau in dem funkelnden Kleid neben dem ernsten, schwarz gekleideten Norweger am Altar stand, begannen Colette die Augen zu brennen.
Die letzten Töne des Chorals verklangen, und der Pfarrer erhob die Stimme. «Wir sind in Gottes Angesicht zusammengekommen, um die Trauung …» Colette schauderte erneut. Sie verstand die schwedischen Worte nicht und war auch nicht vertraut mit dem singenden nordischen Tonfall, doch auf einmal kam es ihr vor, als würden Generationen von Liebespaaren, die in dieser alten Kirche getraut worden waren, aufstehen und andächtig der Zeremonie lauschen, die Seth und Beatrice für den Rest ihres Lebens miteinander verbinden würde.
Viele Stunden nach der Trauung vibrierte Schloss Wadenstierna immer noch vom Gelächter der zahllosen Gäste, den knallenden Champagnerkorken und dem Klingen teurer Kristallgläser. Flackernde Fackeln erleuchteten die Winternacht und den Schnee,
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