Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
Brust, dass es sich um die vollbusige Frau aus der Oper handelte. Man konnte ihr Gelächter nicht hören, aber es war auch auf die Entfernung nicht zu übersehen. Schließlich gab Beatrice den Versuch auf, so zu tun, als wäre Seth ihr egal. In der Tat war es wenig sinnvoll, jemand zu ignorieren, dem es überhaupt nicht auffiel, dass er ignoriert wurde. Als die Frau zwischen den Gästen verschwand, begann Seth ein Gespräch mit Leonite. Die Deutsche hatte zwar keine Diamanten im Haar, sah aber trotzdem dunkel, exklusiv und selbstsicher aus. Sie waren ein äußerst hübsches Paar, stellte Beatrice fest, und plötzlich sah sie, wie Seth Leonite genauso frech zulächelte, wie er sie selbst schon so oft angelächelt hatte, und das tat weh. Wie dumm von ihr, sie hatte ja wohl kaum ein Recht, eifersüchtig zu sein, dachte sie und zupfte an einem Silberfaden ihres Kleides. Überhaupt kein Recht. Seth Hammerstaal durfte selbstverständlich mit jeder Frau reden, tanzen und lachen. Es war albern von ihr, sich verschmäht zu fühlen, dachte sie und zog weiter an dem Faden. Dumm und naiv. Sie hob den Kopf. Gleich begann der nächste Tanz, und glücklicherweise war ihre Tanzkarte voll.
Als das späte Souper abgetragen wurde, zog sich Beatrice mit Sofia in einen der hinteren Räume zurück, um sich ein paar Minuten auszuruhen, bevor die letzten Tänze begannen. Man hatte Hummer, Schinken, Lammbrust und zahllose andere Gerichte serviert, außerdem Desserts sowie ein halbes Dutzend verschiedene Weine. Die beiden Mädchen setzten sich an einen kleinen Tisch, um ungestört reden zu können.
«Worüber habt ihr euch unterhalten? Hat er was gesagt?», fragte Beatrice.
«Johan ist ja so schrecklich nett», beteuerte die verliebte Sofia. Sie beugte sich vor. «Und du, Bea? Wie war dein Abend?»
«Der Kronprinz hat mich nicht aufgefordert, aber sonst war es sehr schön», antwortete Beatrice.
«Herr Hammerstaal war ja auffällig aufmerksam», bemerkte Sofia. «Er sieht dich ganz schön oft an.»
«Ach, der gibt sich doch nur mit Leonite von Wöhler ab», wehrte Beatrice leichthin ab. «Da hat er ja wohl kaum Zeit, mir seine Aufmerksamkeit zu schenken.»
Doch Sofia schüttelte langsam den Kopf. «Ich glaube, da täuschst du dich», meinte sie. «Er …»
In diesem Moment stand plötzlich Tante Harriet an ihrem Tisch, und Sofia ließ das Thema rasch fallen. Die Tante bedachte Beatrice mit einem langen forschenden Blick, und ihre Nichte schrumpfte geradezu in sich zusammen. Gleichzeitig machte sie sich auf das gefasst, was nun kommen musste. Es bedeutete selten Gutes, wenn die Tante ihr etwas sagen wollte.
«Ich habe gerade gehört, dass sich dieser Norweger für Leonite von Wöhler interessiert», begann Harriet. Sie blickte zu Seth hinüber, der von mehreren vergnügten Männern verschiedenen Alters umgeben war. Als würde er spüren, dass über ihn geredet wurde, drehte er sich um. Beatrice schlug die Augen nieder. «Ich sage das nur zu deinem eigenen Besten», fuhr die Tante fort. «Damit du dir nicht am Ende irgendetwas einbildest.»
Harriet redet nur mit mir, wenn es um mein eigenes Bestes geht, dachte Beatrice düster, doch sie sagte nichts. Dann ging die Tante wieder ihrer Wege, und Sofia blickte Beatrice bekümmert an.
«Bea?»
«Ich hab dir doch gesagt, da ist nichts zwischen uns.» Beatrice zuckte mit den Schultern und hoffte, dass sie ungerührter klang, als sie sich fühlte.
Sofia schien noch etwas einwenden zu wollen, doch dann schwieg sie.
Nach Harriets zurechtweisenden Worten sorgte Beatrice dafür, dass zwischen Seth Hammerstaal und ihr immer gebührender Abstand lag. Viele der älteren Gäste hatten sich bereits zurückgezogen, doch die Tanzfläche war immer noch brechend voll, und ihre Tanzkarte war es ebenfalls. Sie lachte, tanzte und schäkerte mit den Männern und redete sich dabei ein, dass sie sich noch nie im Leben so gut amüsiert hatte. Seth sollte bloß nicht glauben, dass sie auf seine leeren Schmeicheleien hereingefallen war, mit denen er offenbar so großzügig um sich warf.
Die Musik verstummte, und Beatrice blieb auf der Tanzfläche stehen. Sie unterhielt sich noch mit ihrem Partner, einem jungen Mann, der sie unheimlich zum Lachen gebracht hatte. Doch plötzlich drängte sich Seth zwischen sie und nahm Beatrice am Arm. Verblüfft sah sie ihn an. «Ja bitte?»
Seth wandte sich dem jungen Mann zu, der offenbar nicht recht wusste, was er tun sollte. «Das hier ist mein Tanz», erklärte Seth
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