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Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Titel: Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simona Ahrnstedt
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Sie benimmt sich immer unmöglicher», sagte Wilhelm Löwenström. Er stand vom Schreibtisch auf und musterte ergrimmt seinen Sohn.
    «Da kann ich dir nur zustimmen», erwiderte Edvard und hob die Arme in einer ratlosen Geste. «Aber es würde seltsam aussehen, wenn sie nicht mitkäme, nachdem sie eingeladen worden ist. Die Familie Stjerneskanz ist sehr einflussreich.» Er lächelte beschwichtigend. «Außerdem kannst du sie wohl kaum bis zur Hochzeit im Haus einsperren.»
    «Ich will, dass du mit nach Gröndal fährst», beschloss der Vater. «Sorg dafür, dass sie sich zusammenreißt und keine Dummheiten macht.»
    Er trat ans Fenster, und Edvard betrachtete den untersetzten Körper und die kräftigen Schultern – ein Aussehen, das er glücklicherweise nicht geerbt hatte. Wir hatten diese Diskussion doch schon, dachte er gereizt. Er wollte sie abschließen und endlich gehen, bevor es Papa am Ende noch einfiel, ihn zu einer Inspektion in eine seiner gottverdammten Fabriken mitzuschleifen oder etwas ähnlich Lästiges. «Aber ich bin doch gar nicht nach Gröndal eingeladen, oder?», wandte Edvard ein, wobei er sich bemühte, so entgegenkommend wie möglich zu klingen. «Wie gesagt, das ist eine gute Familie, es gibt überhaupt keinen Grund, überzogen zu reagieren. Außerdem begleitet Mary die Mädchen, sie ist doch eine zuverlässige Anstandsdame.»
    Der Vater wandte sich um und bedachte ihn mit einem zornigen Blick. «Wenn Beatrice mich blamiert, peitsche ich sie aus», erklärte er. «Ich lasse es mir nicht bieten, dass man mir trotzt.»
    Edvard unterdrückte ein Lächeln. Wenn er eines an seinem Vater mochte, dann die feste Hand, mit der er die Frauen behandelte. «Die Geschichte ist so gut wie unter Dach und Fach», sagte er. «Hat Rosenschöld den Vertrag denn schon unterzeichnet?»
    « Graf Rosenschöld», fauchte der Vater.
    «Natürlich. Entschuldige, Vater», beschwichtigte Edvard.
    «Vergiss nicht, dass wir das alles für dich tun, damit der Graf dir wohlgesinnt ist.» Sein Vater drohte ihm mit der Hand. «Vergiss das bloß nicht! Erweise ihm also den schuldigen Respekt.»
    Wilhelm Löwenström wandte sich wieder zum Fenster, und Edvard überlegte kurz, was sein hochmoralischer Vater mit seinen Ansichten über die Überlegenheit der Oberschicht wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass Graf Rosenschöld sich erst gestern Abend eine Hure mit seinem Sohn geteilt hatte.
    «Wie sie uns beim Landeshauptmann blamiert hat», fuhr Wilhelm hasserfüllt fort, ohne den Blick vom Fenster zu nehmen. «In dem Moment war ich sicher, dass der Graf sich sofort aus der Sache zurückziehen würde.»
    «Alles wird ganz glatt laufen, Papa», sagte Edvard und erhob sich aus seinem Sessel. «Und bald bist du sie los.»

    Während Edvard das Arbeitszimmer verließ und sich aufmachte, Sofia und Beatrice darüber zu unterrichten, dass sie nach Gröndal zu Familie Stjerneskanz fahren durften, überlegte er, ob es die Dinge wohl wesentlich verkomplizierte, dass er seine vorher so hässliche und magere Cousine auf einmal so – interessant fand. Vorher habe ich das nie gesehen, dachte er und legte die Hand auf die Klinke. Doch aus Beatrice ist eine Frau geworden.
    Edvard öffnete die Tür zum Salon seiner Mutter, in dem die Frauen auf ihn warteten.
    *
    Ein geradezu ländliches Idyll erwartete Beatrice, Sofia und ihre englische Gesellschafterin, Miss Mary Highman, als sie eine Woche nach dem königlichen Ball in Gröndal eintrafen. Das Gut bestand aus einem Hauptgebäude mit zwei Flügeln. Außerdem standen gelbe Schuppen und Ställe über das Grundstück verstreut. Auf den Bäumen und Büschen lag der Schnee, und Hunde tollten übermütig durch die Schneehaufen. Mägde eilten hin und her, und aus dem Schornstein quoll der Rauch.
    «Willkommen in Irislund», rief eine junge Frau, die aus dem Haupteingang getreten war und ihnen über den Hof entgegeneilte. Sie war ungefähr Mitte zwanzig und trug ein blondgelocktes Kind auf der Hüfte. «Sie müssen Beatrice sein», sagte sie lächelnd und reichte das Kind an eine der Mägde weiter. «Und Sie müssen Sofia sein, Johan hat erzählt, dass Sie blond sind.» Rasch strich sie sich die weizenblonden Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich aus ihrem dicken Knoten gelöst hatten. «Ich bin Camilla Silvferstolpe», fuhr sie fort, «Johans kleine Schwester. Aber alle nennen mich Milla.» Sie gestikulierte beim Sprechen und sah die drei Frauen abwechselnd mit ihren großen blauen Augen an.

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