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Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Titel: Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simona Ahrnstedt
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vor ihr stand.
    «Herr Hammerstaal», sagte sie, ebenso höflich, und knickste tief. In seinen Augen glomm ein gefährlicher Funke auf. «Sie müssen damit aufhören», flüsterte sie, als sie sich vorbeugte.
    Sein Lächeln wurde noch herausfordernder.
    «Womit?»
    «Damit, mich auf diese Art und Weise anzusehen.» Beatrice wedelte mit ihrem Fächer. «Sie machen mich nervös.»
    «Ist Ihr erster Tanz schon vergeben?» Als sie den Kopf schüttelte, streckte er die Hand aus, und sie gab ihm ihre Tanzkarte. Seth trug seinen Namen in zwei der Zeilen ein und gab sie ihr zurück. Dann nahm er ein Glas Champagner von einem Tablett, das ein Bediensteter gerade durch den Saal trug, und reichte es ihr. Atemlos trank sie es unter seinem Blick aus.
    «Noch eines?», fragte er amüsiert.
    «Ja, bitte», antwortete sie. Das prickelnde Getränk schmeckte herrlich und harmlos süß.
    Während sie am zweiten Glas Champagner ihres Lebens nur nippte, stellte Beatrice fest, dass sie sich ganz großartig fühlte. Sie winkte Sofia zu, als plötzlich alle Gespräche ringsum verstummten. Die Leute zischten, bis endlich alle schwiegen, und erwartungsvolle Stille machte sich im Saal breit. Die Menge teilte sich in zwei Hälften, und Seth kam schräg hinter Beatrice zu stehen. Dann betrat der königliche Zug den Saal, der König in seiner Generalsuniform, die jungen Prinzen in Uniformen eines niedrigeren Ranges. Der König begrüßte die Menschen, die sich vor ihm verbeugten und ein Spalier bildeten. Die Königin war krank und nahm deswegen nicht teil an der Feierlichkeit, doch der Prunk war trotzdem überwältigend. Als die königliche Familie vorübergeschritten war, strömten die Gäste hinter ihnen in das «Weiße Meer», den Ballsaal des Schlosses.

    Der Dirigent hob den Taktstock, das Orchester spielte zu einem Walzer auf, und Seth führte Beatrice auf die Tanzfläche. Sie legte ihre Hand in seine und dankte im Stillen den unzähligen strengen Tanzlehrern, die in den letzten vier Jahren darum gerungen hatten, ihr Walzer, Menuett und Quadrille beizubringen. Die andere Hand legte sie ihm auf die Schulter und spürte, wie die Freude in ihr aufwallte.
    «Mögen Sie Bälle?», erkundigte sich Seth. Sein Arm lag sicher und fest um ihren Rücken, und trotz der dicken Schicht aus Seide, steifem Korsett und dünner Baumwolle fühlte sie die Wärme seiner Handfläche, die ihr Stütze und Geborgenheit vermittelte. Sie blickte zur Decke, wo die Malereien in Blassrosa und Gold den Hintergrund für die riesigen Kristallleuchter bildeten. Die Kerzenflammen warfen ein flackerndes Licht auf die vergoldete Stuckatur und die riesigen Spiegel.
    «Ich liebe Bälle geradezu», antwortete sie, während er sie herumwirbelte. Große Blumentöpfe mit Palmen und anderen Bäumen flogen an ihrem Blickfeld vorbei, und sie hätte am liebsten laut gelacht.
    «Und Schlittschuhfahren?», fragte er.
    Sie überlegte, ob er sich überhaupt an ihren Kuss erinnerte. Für ihn war das Ganze vielleicht so wenig bemerkenswert, dass er es schon vergessen hatte. Vielleicht hatte er seitdem auch zahllose andere Frauen geküsst.
    «Mein Vater war der Meinung, dass frische Luft sehr gesund ist», sagte sie und verdrängte das Bild von Seth Hammerstaal und Hunderten von kusswütigen Frauen aus ihrem Kopf. «Außerdem war ich als Kind sehr lebhaft, deshalb habe ich den Verdacht, dass man mich auf diese Art ein bisschen müde machen wollte.» Sie stolperte, doch Seth hielt sie mit sicherem Griff fest. «Ich bin auch oft gestürzt, ich war sehr impulsiv.»
    «Daran habe ich nicht den mindesten Zweifel», lachte er. «Sie sind eine außergewöhnlich gute Schlittschuhläuferin.» Er zog sie fester an sich, und Beatrice schnappte nach Luft.

    Seth fragte sich, ob Beatrice die geringste Ahnung davon hatte, wie wundervoll sie aussah, mit ihrem rotgoldenen Haar und dem breiten, fröhlichen Mund. Und diese verdammten Sommersprossen waren einfach unwiderstehlich.
    «Sie starren mich an», bemerkte sie, und ihm wurde klar, dass sie ganz recht hatte. Er lächelte sie an. Sie war keine Schönheit im herkömmlichen Sinn: Ihre Nase war ein wenig zu lang, der Mund war ständig in Bewegung, und die Sommersprossen waren im Grunde fast zu üppig, doch jedes Mal, wenn sie ihm ihr breites Lächeln zeigte, war ihm, als würde sie goldenen Sonnenschein über ihn ausgießen. Und sie hatte so eine Art, die Augen zu verdrehen, wenn er etwas Ungehöriges sagte, dass er jedes Mal am liebsten laut loslachen

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