Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
den Leinenservietten und den Gläsern. «Karin hat gesagt, dass Sie in New York waren.» Sie schlug einen unverbindlichen Plauderton an. «Sind Sie viel gereist?»
Er nickte.
«Ich war noch nie verreist», verriet sie. Sie war froh, dass sie ein neutrales Gesprächsthema gefunden hatten. «Können Sie nicht ein wenig von den Orten erzählen, die Sie besucht haben?» Sie kostete die Suppe, die warm und cremig war und in der kleine rote Hummerstückchen schwammen.
«Ich bin gerade aus Norwegen zurückgekommen», erklärte er. «Davor war ich in New York und davor in London.»
«Wie ist New York?»
Er lächelte. «Groß.»
«Ich beneide Sie darum, dass Sie schon so viel erlebt haben. Sind Sie aus beruflichen Gründen wieder nach Stockholm zurückgekommen?»
Er legte den Löffel aus der Hand, lehnte sich zurück und schenkte ihr ein zweideutiges Lächeln. «Mich hat bis jetzt noch keine Frau nach meiner Arbeit gefragt.»
«Nein, wahrscheinlich sollte ich mit Ihnen über gemeinsame Bekannte, Sonntagsspaziergänge und das Wetter reden.» Sie zog eine Grimasse. «Aber ich würde viel lieber etwas von Ihrer Arbeit hören.»
«Ich bin in Schweden, um ein paar neue Investitionen zu diskutieren. Dabei verfolge ich eine bestimmte Taktik», erklärte er. Sie sah ihn aufmunternd an. «Ich investiere in kleine Unternehmen und verhelfe ihnen zu Entwicklungsmöglichkeiten und passenden Abnehmern. Dabei geht es um alle möglichen Produkte, von Elektrizität über Eisenbahnen bis zur Telekommunikation.»
«Sie haben also Geld und versuchen es zu vermehren, indem Sie sich Personen mit Ideen suchen, an die Sie glauben?»
«Das ist eine der präzisesten Zusammenfassungen, die ich je gehört habe.»
«Ich habe in der Zeitung etwas darüber gelesen.»
«Sie lesen Zeitungen?»
Sie sah, dass er sein Erstaunen nicht verbergen konnte. Männer. «Ja, es kommt vor, dass ich mein kleines, kleines Hirn anstrenge und mich durch den einen oder anderen Artikel buchstabiere», erwiderte sie trocken, und er musste laut lachen.
«Verzeihen Sie, ich habe Sie beleidigt. Wir leben in ganz neuen Zeiten», sagte er. «Die Möglichkeiten sind geradezu unbegrenzt.»
Inzwischen war die Suppe abgetragen worden, und es wurden dünne Roastbeefscheiben mit zartem Gemüse serviert. Iris’ Köchin kochte himmlische Gerichte, und wenn nicht dies der beste Abend ihres Lebens war, so war er immerhin einer der besten, dachte Beatrice. «Sind Sie gut in Ihrem Beruf?», fragte sie.
Seth lächelte sein dämonisches Lächeln, nahm sein Glas, beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: «Ich bin sehr, sehr gut in meinem Beruf.»
Die Worte gingen ihr durch und durch. «Sie klingen ja sehr engagiert», sagte sie leise. «Macht Ihnen Ihre Tätigkeit Spaß?»
«Ich habe immer in erster Linie für meinen Lebensunterhalt gearbeitet, aber doch, meine Arbeit befriedigt mich sehr.»
Sie hob ihr Glas und sah ihn an. «Also, zum Wohl. Auf das, was Sie befriedigt.»
Er prustete los, doch Beatrice lächelte nur unschuldig und trank von ihrem Bordeaux.
Erfreut stellte Seth fest, dass Milla immer noch mit ihrem Tischherrn beschäftigt war, was ihm die Möglichkeit gab, sich voll und ganz Beatrice zu widmen. Sich mit ihr zu unterhalten war fast so amüsant, wie sie zu küssen. Und ihr Gesicht zu studieren war unerwartet faszinierend, besonders wenn sie ihn mit dieser Mischung aus Verlegenheit und Selbstsicherheit ansah, die er so über die Maßen attraktiv fand.
Er grinste. «Sprechen Sie ruhig», forderte er sie auf. «Was möchten Sie noch von mir wissen?»
«Warum glauben Sie, dass ich noch etwas wissen will?», fragte sie misstrauisch.
«Sie haben schon wieder diesen Gesichtsausdruck», antwortete er. «Sie wollen mich etwas fragen, wissen aber nicht, ob es sich schickt.» Er lehnte sich zurück. «Fragen Sie ruhig.»
«Ich wusste nicht, dass ich so leicht zu durchschauen bin.» Sie biss sich auf die Lippe. «Sie haben gesagt, dass Sie sich Ihr Vermögen selbst erarbeitet haben. Ich habe mich gefragt, wie Sie so unglaublich …» Sie errötete und blickte auf ihren Teller.
Er hob die Augenbrauen. «So unglaublich reich?»
Ihre Wangen wurden noch röter. «Verzeihen Sie bitte, das war wirklich sehr unhöflich», entschuldigte sie sich leise.
Doch genau in diesem Moment hätte er sie am liebsten zu sich auf den Schoß gezogen. Ihr mit dem Daumen die rote Unterlippe gestreichelt und sie geküsst, bis sie nach Luft schnappte.
«Nach dem Krieg habe ich beim
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