Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
Männer sich keuchend gegenüberstanden und einander musterten. Seths Augen verengten sich zu schwarzen Schlitzen. Seine Brust unter dem zerfetzten Hemd hob und senkte sich mit jedem Atemzug. Er blutete aus einer Wunde am Arm und einem Kratzer auf der Wange. Da warf Jacques mit einem Fluch den Degen weg und ballte die Fäuste. Er wollte Seth nicht umbringen, und er selbst wollte auch nicht versehentlich ums Leben kommen, aber kämpfen wollte er. Seth warf seine Waffe ebenfalls ins Gras und zog das Hemd aus.
Während das Publikum wieder begeistert aufbrüllte, umschlichen sich die beiden Gegner. Doch Seth und Jacques hatten schon unzählige Male miteinander trainiert. Gemeinsam hatten sie mehr Soldaten ausgebildet, als sie zählen konnten. Sie kannten ihre Tricks also in- und auswendig, und keinem wollte es gelingen, den anderen niederzuringen. Schließlich hatten sich die beiden völlig ineinander verkeilt und keuchten.
Da gewann Seth unerwartet doch noch die Oberhand, und sie wälzten sich auf dem Gras. «Gib auf», schrie Seth, während er mit neuer Kraft auf seinen Freund eindrosch.
«Fahr zur Hölle», fauchte Jacques und konnte doch noch einen Volltreffer mit dem Schädel landen. Seth fiel mit einem dumpfen Laut rücklings ins Gras. Bevor er sich fangen konnte, war Jacques nun über ihm, und sie prügelten wie rasend aufeinander ein. Nach einer Weile verloren die jungen Zuschauer die Lust und verließen einer nach dem anderen den Schauplatz, bis Seth schließlich ins Gras sank. Er hob die Hände, um Jacques’ Schläge abzuwehren, und sein Freund ließ die Fäuste sinken. Er wischte sich Blut und Schweiß vom Gesicht.
«Friede?», fragte Seth.
«Friede», sagte Jacques. Um Haaresbreite hätte er selbst aufgegeben. Schnaufend ließ er sich neben seinem Freund ins Gras fallen. Eine ganze Weile blieben die beiden so nebeneinanderliegen und schöpften Atem.
Seth musterte den Himmel und die Sonne, während er den Vögeln und Insekten lauschte. Obwohl ihm jeder Körperteil wehtat, war er seltsam zufrieden. Er fühlte sich, als hätte die Schlägerei die Luft zwischen ihnen bereinigt, und es war schön, nicht mehr böse aufeinander zu sein.
Ihn schmerzte wirklich alles. Als er einatmete, versetzte es ihm einen Stich in die Brust, und er stöhnte.
«War es für dich auch so schön?», fragte der Franzose.
«Eine Zigarette wäre jetzt gut», antwortete Seth.
Jacques bewegte sich und stöhnte auf. «Ich weiß nicht, vielleicht brauche ich sogar einen Arzt», sagte er und betrachtete nachdenklich seinen Arm.
«Und, was ist mit dem Arm?», erkundigte sich Seth, als Jacques das Haus des Dorfarztes verließ.
«Ein kleiner Ritzer, nicht der Rede wert», behauptete Jacques, ohne zu erwähnen, dass der Arzt ihn murrend mit zehn schmerzhaften Stichen genäht hatte, ohne sich die Mühe zu machen, ihm ein Betäubungsmittel zu geben. Er konnte nicht gut sehen, weil sein rechtes Auge ganz zugeschwollen war, aber er erkannte, dass es Seth gelungen war, die Blutungen in seinem Gesicht zum Großteil zu stillen.
«Was ist mit deinen Rippen?», fragte Jacques.
Seth fasste sich an den Verband um den Brustkorb. «Du hattest Glück. Deine kraftlose Rechte hat es tatsächlich geschafft, mir eine Rippe zu brechen.»
Die letzten Wellen von Testosteron und Adrenalin pulsten ihnen angenehm durch die Adern und dämpften den Schmerz etwas. Morgen würde es höchstwahrscheinlich etwas unangenehmer werden.
«Kannst du mir nur ein einziges Mal eine ehrliche Antwort geben, wenn ich das Thema dann ruhen lasse?»
Seth seufzte. «Gut, eine letzte Frage.»
«Ist zwischen dir und Beatrice etwas vorgefallen?»
«Das ist schon lange her. Aber jetzt ist es vorbei. Ich will nicht darüber sprechen. Komm, ich lade dich auf einen richtigen Drink ein. Ich muss einfach mal ein bisschen weg von diesem verdammten Gutshof. Wie wäre es mit einem Branntwein?»
Jacques grinste. «Du musst mir nur sagen, wo es langgeht.»
Sie schlenderten ins Dorf und fanden ein Wirtshaus, das sie und ihr Geld mit offenen Armen empfing. Bald bekamen sie Gesellschaft von einigen Dorfbewohnern, die von den Kriegsabenteuern der beiden zwar nur mäßig beeindruckt waren, dafür aber umso mehr Respekt vor den Alkoholmengen hatten, die sie konsumierten. Da der Abend immer noch lau war, hatten sie sich nach draußen gesetzt. Ein paar leichtbekleidete Frauen kamen an ihrem Tisch vorbei, und während Seth die Gesellschaft mit immer obszöneren Liedern unterhielt, packte
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