Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
Das Mädchen lachte so laut, dass ihr Busen wogte.
Beatrice starrte sie schockiert an.
Dann zog sie den Mantel fester um sich, als könnte sie sich damit gegen die Kälte schützen, die sich in ihr ausbreitete. Was hatte sie eigentlich geglaubt – dass Seth ihr in die Arme fallen und ihr seine Liebe erklären würde? Sie hatte sich die Schuld selbst zuzuschreiben, sich und ihrer übergroßen Naivität. Wie dumm konnte man eigentlich sein? Wie hatte sie nur jemals glauben können, dass sich hinter diesem harten, ausdruckslosen Gesicht mehr verbarg? Zur Hölle mit ihm! Der Schock begann nachzulassen, und sie spürte erleichtert, wie stattdessen der Zorn in ihr aufwallte. Wie konnte er es wagen, in diesem Ton mit ihr zu sprechen?
Seth sah Beatrice an und zuckte mit den Schultern. Ihr Gesicht schimmerte fast weiß unter ihrer Kapuze. Ihre Augen waren riesengroß.
«Na, keine Lust?», fragte er höhnisch. Er zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder der Frau zu widmen, die ihm ihr weiches Hinterteil gegen den Schritt drückte, während sich ihre runden Finger unter sein Hemd tasteten. Er ignorierte die innere Stimme, die ihm zuschrie, dass er hier gerade einen gefährlichen Fehler beging. Noch konnte er ihn korrigieren. Doch er weigerte sich hartnäckig, das Risiko einzugehen, sich wie ein Idiot zu benehmen, nur weil Beatrice Löwenström ihn mit großen, verletzten Augen ansah. Er machte sich auf den Schmerz gefasst, der sich gleich in seiner Brust ausbreiten würde. Die Schankkellnerin küsste ihn, und er erwiderte ihren Kuss. Tief. Dann sagte er etwas zu den Männern. Sie lachten roh über seine Bemerkung, und er spürte eher, als dass er es sah, wie Beatrice zusammenzuckte. Doch er konnte nicht anders. Wenn er einfach weiter dagegen ankämpfte, würde seine Besessenheit von dieser Frau bestimmt irgendwann verschwinden. Er bedachte Beatrice nochmals mit einem leeren Blick, woraufhin sie sich abwandte. Sie richtete sich stolz auf und ging endgültig davon.
«Das war wirklich verdammt unnötig.» Jacques sah ihr nach.
«Ach, diese Frau hält schon einiges aus, glaub mir, ich weiß Bescheid. Sie tut immer so unschuldig, aber sie weiß schon, wie der Hase läuft», erwiderte Seth.
«Also, manchmal bist du wirklich ein Ekel. Du kannst sie doch nicht ganz allein nach Hause gehen lassen.»
«Geh du doch mit ihr, wenn du es für nötig hältst. Ich bleibe hier», verkündete Seth und grinste der Kellnerin zu.
Jacques schüttelte den Kopf. «Manchmal verstehe ich dich wirklich nicht.» Dann stand er auf und folgte Beatrice.
«Mademoiselle Beatrice, warten Sie!»
Sie drehte sich um und blieb stehen, bis der Franzose sie eingeholt hatte.
«Sie können nicht allein nach Hause gehen, ich werde Sie begleiten.»
Er hielt ihr den Arm hin, und sie hakte sich dankbar unter.
«Warum sind Sie ins Wirtshaus gekommen?», fragte er.
Beatrice lächelte schief. «Ja, ich weiß. Es war äußerst leichtsinnig von mir hierherzukommen, aber …»
«Aber was?»
Sie zuckte mit den Schultern. «Ich habe mich von meiner Phantasie hinreißen lassen, also kann ich nur mir selbst Vorwürfe machen.»
«Er hätte nicht so mit Ihnen reden dürfen. Wir haben viel zu viel getrunken, aber das ist keine Entschuldigung. Morgen wird er sich entsetzlich schämen», sagte Jacques.
Ich kann einfach nicht mehr über Seth sprechen, dachte Beatrice. Wenn ich ihn mir nicht endlich aus dem Kopf schlage, zerbreche ich noch. «Wir verlassen Svaneberg schon morgen», sagte sie. «Erst fahren wir für ein paar Wochen nach Stockholm und dann aufs Land. Und Sie? Fahren Sie zurück nach Frankreich, oder haben Sie andere Pläne?»
Jacques lächelte verlegen und räusperte sich. «Ich bleibe tatsächlich noch eine Weile in Schweden, ich erwarte nämlich Besuch. Einen guten Freund.» Er räusperte sich wieder. «Besser gesagt eine Freundin, Madame Vivienne de Beaumarchais. Ich habe ihr versprochen, sie ein wenig in Stockholm herumzuführen …»
Beatrice betrachtete sein verlegenes Gesicht. Dann blieb sie stehen und stemmte die Hände in die Hüften. «Jacques Denville, wollen Sie damit etwa sagen, dass sie eine Geliebte haben? Sie sollten sich was schämen, so wie Sie mir und jeder anderen Frau auf Svaneberg schöne Augen gemacht haben.» Doch dabei lächelte sie. Ohne den Franzosen wären die letzten Tage schier unerträglich gewesen.
Inzwischen waren sie am Gutshof angekommen. Die Fenster waren erleuchtet, und trotz der späten Stunde hielten sich
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