Ein unmoralischer Handel
Seufzer hielt sie mit ihm Schritt. »Dir ist schon klar, dass die Dinge so nicht gerade einfacher werden.«
Sie dachte schon, dass er ihr nicht mehr antworten würde, als er, unmittelbar bevor sie die Kutsche seiner Mutter erreichten, in der Serena und Celia einträchtig in mütterlichem Glanz saßen, ihr zuraunte: »Von ›einfach‹ ist doch schon lang keine Rede mehr.«
Dann waren sie auch schon bei den Kutschen, trafen mit den Mädchen, Esher und Carstairs zusammen. Über die Köpfe hinweg fing Gabriel einen fragenden Blick von Celia auf; für Alathea, die noch dicht daneben stand, ließ er sich mit Leichtigkeit interpretieren. Celia wollte wissen, warum er hier war. Gabriel erwiderte ihren Blick gelassen mit einem angedeuteten Schulterzucken, als wollte er Celia zu verstehen geben, dass er sie zufällig getroffen und einfach zurückbegleitet habe. Nichts Besonderes. Seine Vorstellung war so geschickt, dass Alathea es auch geglaubt hätte, wenn sie es nicht besser gewusst hätte. Gabriel nickte, und Celia entließ ihn mit einem Lächeln.
Er drehte sich zu ihr um - ihre Blicke trafen sich. In den Falten ihres Kleides berührten sich ihre Finger. Mit einem kurzen Nicken wandte er sich ab und ging fort.
Alathea sah ihm verwundert nach, wobei ihr Denken begann, sich um eine immer dringlichere Frage zu drehen.
15
D iese Frage wurde zwei Abende später beantwortet. Die Gala der Herzogin von Richmond war einer der Höhepunkte der Saison. Das Haus der Richmonds am Fluss stand weit offen; alles von Rang und Namen war anwesend. Alathea war relativ zeitig mit Serena, Mary und Alice eingetroffen. Ihr Vater, der vorher noch mit Freunden zum Dinner verabredet war, wollte später noch vorbeischauen. Alathea ließ Serena bei Lady Arbuthnot und Celia Cynster auf einer Chaiselongue und streifte geschäftig umher, bis sich der übliche Kreis um Mary und Alice gebildet hatte, Esher und Carstairs wie immer an vorderster Front. Dann suchte sie sich ein ruhiges Plätzchen am Rand des Geschehens.
Ihr Versuch, sich unsichtbar zu machen, wurde durch Lord Falworth vereitelt, der sie in der Menge erspäht hatte. Sekunden später war sie von ihrem »Hofstaat« umringt.
Zu Alatheas großer Erleichterung vergingen keine fünf Minuten, bis sich Chillingworth ihnen anschloss. Nachdem die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht waren, nahm der Graf den Platz an ihrer Seite ein und löste Falworth ab, der sich schmollend zurückzog. Chillingworth’ Körpergröße - er war etwa so groß wie Gabriel - hatte einen ähnlichen Effekt auf ihre Verehrer: Sie fühlten sich bemüßigt, einander in intelligenter Konversation zu übertreffen.
Als das Orchester sich für den ersten Tanz bereit machte, war Alathea dem Grafen gegenüber ziemlich milde gestimmt und durchaus gewillt, ihm für diesen Tanz ihre Hand zu gewähren. Er bat jedoch nicht energisch genug darum, sondern hielt sich relativ ruhig im Hintergrund, während Lord Montgomery um diese Ehre bat. Da sie keine Entschuldigung parat hatte, sah sich Alathea gezwungen, sein Flehen zu erhören. Der Tanz war ein Cotillon, somit würde ihr zumindest der Großteil seiner wichtigtuerischen Ergüsse erspart bleiben.
Als Lord Montgomery sie nach dem Tanz zu ihrem Kreis zurückgeleitete, war sie ziemlich überrascht, Chillingworth dort noch immer geduldig wartend vorzufinden. Ihre Dankbarkeit wurde erneut geweckt, als unter seiner Leitung die Gespräche heiter und allgemein blieben. Dann kündigten die Musiker einen Walzer an. Da wurde ihr klar, weshalb der Graf gewartet hatte.
Mit schmeichelhaft entschlossener Miene machte er vor ihr eine Verbeugung: »Wenn Sie mir bitte die Ehre erweisen würden, meine Liebe.«
Alathea zögerte in Gedanken an einen anderen hoch gewachsenen Gentleman. Sie schaute auf - und sah ihm direkt in die Augen. Er stand da und beobachtete, wie sie sich entscheiden würde, offensichtlich bereit, sofort einzuschreiten und den Tanz für sich zu beanspruchen, sollte sie sich seiner Verfügung verweigern. Sein Vorsatz wurde unmissverständlich klar, als der Kreis ihrer Bewunderer sich vor ihm teilte wie das Rote Meer, als sie ihn bemerkten.
Sie kämpfte einen plötzlichen Anflug von Widerspruchsgeist nieder, weil sie erkannte, dass sie Gabriel in seiner derzeitigen Stimmung nicht herausfordern durfte, und sagte bedauernd zu Chillingworth: »Es tut mir Leid, Mylord, aber ich bin schon versprochen. Mr Cynster.«
Letzteres war offensichtlich. Chillingworth starrte Gabriel an.
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