Ein unmoralischer Handel
eigentlich noch darüber hinaus: Für ihn waren andere Menschen nur eine Beute. Hinter seinem halbwegs zivilisierten Verhalten lauerten Bosheit und eine tief verwurzelte Grausamkeit.
Sie wollte ihn von ihrer Familie möglichst weit weg halten.
Alles in allem - und das bedeutete wirklich alles - bestand der einzige Weg, auf dem sie vorankommen konnten, darin, schnellstmöglich die notwendigen Beweise aufzutreiben. Dann würde Crowley keine Bedrohung mehr darstellen und die Gräfin konnte wieder in den Nebeln verschwinden.
»Fangak. Lodwar. Wie lautete noch der andere Name?« Sie setzte sich an ihren Schreibsekretär, zog ein Blatt Papier aus der Schublade und griff nach einer Feder. »Kingi - das war’s.« Sie notierte die Namen, listete dann all die anderen Namen und Orte auf, die Crowley erwähnt hatte, soweit sie sich noch erinnern konnte.
»Mary? Alice?« Alathea schaute durch den Türspalt in Marys Zimmer, wo sich ihre beiden Stiefschwestern für gewöhnlich aufhielten, wenn sie Mittagsschlaf halten sollten. Mit Sicherheit würden beide auf dem Bett herumlümmeln und die gleiche tödlich gelangweilte Miene zur Schau stellen. Beide hoben gleichzeitig den Kopf, um sie anzusehen.
Alathea grinste. »Ich gehe zu Hatchard’s. Serena hat gesagt, ihr könntet mitkommen, wenn ihr Lust habt.«
Mary saß schon bolzengerade auf dem Bett. »Dort gibt es doch eine Leihbücherei, oder?«
Alice rollte sich bereits vom Bett. »Ich komme mit.«
Alathea sah ihnen zu, wie sie hastig in ihre Schuhe schlüpften, sich in ihre Jacken mühten, nach einer Haube griffen und einen mehr als oberflächlichen Blick auf ihr Spiegelbild warfen. »Es gibt eine Leihbücherei, aber bevor ihr nach dem neuesten Roman von Mrs Radcliffe sucht, möchte ich, dass ihr mir helft, ein paar Bücher zu finden.«
»Worüber denn?«, fragte Alice, als sie zu ihr an die Tür trat.
»Über Afrika.«
»Das war vielleicht langweilig!«, stöhnte Jeremy, ließ sich mit einem herzhaften Gähnen tiefer in den Sitz der Droschke sinken und lehnte sich an Alatheas Schulter. »Ich dachte, die wüssten etwas übers Goldschürfen. Aber alles, worüber sie sprechen wollten, war, wie man es schmilzt.«
»Mmh.« Alathea verzog das Gesicht. Sie hatte ebenfalls gedacht, die Herren des Metallurgischen Instituts wüssten etwas über die Gewinnung von Gold. Leider hatte sich herausgestellt, dass sich die Gesellschaft, deren Aushängeschild sie gesehen hatte, als sie mit Mary und Alice einen Spaziergang unternommen hatte, nur mit der Veredelung von Metallen und den damit verbundenen Prozessen beschäftigte. Die guten Herren hatten weniger über Goldminen in Zentral-Ost-Afrika gewusst als sie selbst. Und sie wusste so gut wie gar nichts darüber, obwohl sie sich bis tief in der Nacht ihrer Lektüre gewidmet hatte.
Alathea warf einen Blick auf Augusta, die sich mit Rose in den Armen an sie gekuschelt hatte. Zumindest Augusta war glücklich, vollkommen unberührt vom Thema Goldgräberei. »Wie geht’s Rose?«
»Rose geht’s gut.« Augusta schaute Rose ins Gesicht. »Sie sieht immer mehr von der Stadt - sie ist überfüllt und laut, aber Rose fühlt sich hier mit dir und mir sicher.«
Alathea lächelte und schloss ihre Hand um die kleinen Fingerchen, die sich vertrauensvoll zwischen ihre geschoben hatten. »Das ist auch gut so. Rose wird ja immer älter - schon bald ist sie ein großes Mädchen.«
»Aber jetzt noch nicht.« Augusta schaute sie an. »Glaubst du, es geht Miss Helm schon besser, wenn wir zurückkommen?«
Miss Helm hatte sich einen Schnupfen zugezogen, deshalb hatte Alathea Augusta mitgenommen. »Miss Helm hat sich bis morgen bestimmt schon wieder erholt, aber du und Rose, ihr müsst heute Abend ganz besonders artig zu ihr sein.«
»Na klar.« Augusta drehte Rose zu sich. »Wir werden ganz besonders artig sein. Wir werden sie nicht einmal bitten, dass sie uns vor dem Schlafengehen etwas vorliest.«
»Ich werde kommen und dir etwas vorlesen, mein Schatz.«
»Aber du musst doch auf den Ball gehen.«
Alathea strich Augusta übers Haar. »Ich werde vorher zu dir kommen und dir etwas vorlesen - ich kann später mit der zweiten Kutsche hinfahren.«
»Mann!« Jeremy sprang plötzlich vom Sitz auf und starrte aus dem Fenster. »Schau dir das mal an!«
Alathea tat wie ihr geheißen - sie brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was sie da sah. »Das ist ein Laufrad - zumindest nehme ich an, dass es sich darum handelt.«
Sie hatte bereits von diesen
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