Ein unmoralischer Handel
aber das tat er dann doch nicht. Hatte er nie getan. Während er seinen Blick von ihrer lächerlichen Haube fern hielt - der Anblick würde ihn mit Sicherheit wieder hochgehen lassen -, holte er noch einmal tief Luft und musterte die Gäste in der Nähe, wobei er sich anschickte, sich zu verbeugen und sich zu entschuldigen.
Er kniff die Augen zusammen. »Was zum Teufel …?«
Die gemurmelte Frage blieb unbeantwortet, als Lord Coleburn, Mr Henry Simpkins und Lord Falworth, alle mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, im Blickfeld erschienen.
»Hier stecken Sie also, meine Liebe.« Falworth verneigte sich elegant vor Alathea.
»Wir dachten, Sie bräuchten vielleicht einen Retter«, verkündete Henry Simpkins und ließ seinen Blick kurz über Gabriel schweifen, bevor er auf Alatheas Gesicht ruhen blieb. »Wegen des Gedränges, Sie verstehen?«
»Es ist wirklich grässlich«, erwiderte Alathea höflich. Sie wartete darauf, dass Gabriel sich verabschiedete und ging; stattdessen verharrte er unerschütterlich wie eine Eiche an ihrer Seite. Wegen Wellington zu ihrer Linken konnte sie nicht entfliehen. Ihre Möchtegern-Kavaliere waren dadurch gezwungen, sich in einem Halbkreis vor ihr und Gabriel aufzubauen - als ob sie vor Gericht stünden. Mit einem innerlichen Seufzer stellte sie ihn vor, wobei sie sich ziemlich sicher war, dass die anderen ihn zumindest vom Hörensagen kannten.
Letzteres wurde schnell offensichtlich. Mittels verschiedener subtiler Bemerkungen machten Coleburn, Simpkins und Falworth deutlich, dass Gabriel sich doch überall sonst besser unterhalten könne als hier. Alathea war ganz und gar nicht überrascht, dass er ihre Bemerkungen einfach so überging und dabei dreinschaute, als könne er ein Gähnen kaum unterdrücken. Wahrscheinlich war dem sogar so. Jedenfalls war es bei ihr der Fall. Hätte sie Lust gehabt, an einer Wand zu lehnen und mit einem Rudel Gentlemen Konversation zu betreiben, dann wäre ihre Wahl sicher nicht auf Coleburn, Simpkins und Falworth gefallen. Sie würde sich lieber mit dem Teufel selbst unterhalten, der derzeit höchstpersönlich zu ihrer Rechten stand. Zumindest bestand bei ihm nie die Gefahr, dass ihre Gedanken abzuschweifen begannen und sie bei der Konversation den Faden verlor.
Trotz ihrer Langeweile war sie erleichtert, dass Gabriel die Dinge nicht beschleunigte, indem er Simpkins praktisch sezierte, wobei der sich mit seinen gekünstelten und nicht gerade nonchalanten Bemerkungen allerdings förmlich darum zu reißen schien. Lady Castlereagh wäre nicht erfreut, wenn in ihrem Ballsaal Blut flösse.
»Und daher bestand also Mrs Dalrymple darauf, dass wir weiterritten, aber der Oxer am Ende des vierten Feldes zwang sie dann doch zum Aufgeben. Also«, Falworth hob hilflos die Hände, »was sollte ich tun? Wir mussten einen gepflegten Abgang machen und in einem Bauernhaus in der Nähe Zuflucht suchen.«
Die anderen Gentlemen schienen gelinde interessiert an Falworths Beschreibung seines missglückten Ausflugs mit den Cottesmores. Alle außer Gabriel, der eine beachtliche Imitation einer Marmorsäule abgab. Ein absolut nichtssagendes Lächeln auf den Lippen, seufzte Alathea innerlich und ließ Falworths Wortfluss über sich hinwegschwappen.
Hinter ihrem kleinen Zirkel schlenderte nonchalant ein hoch gewachsener Herr vorbei, etwa so groß wie Gabriel. Sein Blick wanderte träge über die kleine Gruppe hinweg und blieb dann an ihr hängen. Er blieb stehen, bemerkte Gabriel, dann glitt sein Blick wieder zu ihr.
Der Herr lächelte. Alathea hätte ihm spontan beinah zugezwinkert, doch das ging über den üblichen Charme hinaus. Ihre Lippen hatten sich schon verzogen, noch bevor sie das gedacht hatte. Das Lächeln des Herrn wurde breiter, er neigte seinen Kopf. Seinen Blick unverwandt auf ihr Gesicht gerichtet, kam er näher mit demselben geschmeidigen, lässigen Gang, der die Cynsters und - wie Alathea vermutete - auch einige Ebenbürtige auszeichnete.
Gabriels Reaktion war unmittelbar und heftig. Alathea blieb kaum Zeit, sich über den Grund Gedanken zu machen.
»Chillingworth, meine Liebe, ich glaube nicht, dass wir einander schon einmal begegnet sind.« Mit Anmut richtete er sich nach seiner Verbeugung wieder auf und sagte mit Blick auf Gabriel: »Aber ich bin mir sicher, dass ich mich auf Cynster hier verlassen kann; er wird Sie mir bestimmt gern vorstellen.«
Gabriel schwieg so lange, bis es schon beinah beleidigend war, dann knurrte er widerwillig:
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