Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
Jungpflanzen handeln ist schon kriminell«, sagte Evelyn. »Aber richtig kriminell ist man erst, wenn man das Zeug auch unter die Leute bringt. Kiloweise.«
»Hör mal, Evelyn, jetzt spinnst du wohl total!«, rief ich aus.
Evelyn seufzte. »Ich spinne doch nicht, ich suche nur nach einer neuen Herausforderung. Und nach einer Möglichkeit, Geld zu verdienen.«
»Du bekommst bald
eine Million
!«, rief ich aus.
»Eine Million, von der wir erst einmal unsere Schulden bezahlen«, sagte Evelyn. »Danach bleibt nicht mehrviel übrig, und wenn ich tatsächlich schwanger werden sollte, dann brauche ich einen Haufen Geld. Weißt du, wie teuer allein eine gute Kinderfrau sein wird? Ich muss Geld verdienen, so oder so!«
»Mit dem Anbau und dem Genuss illegaler Drogen?«, rief ich empört.
»Gott bewahre«, sagte Evelyn. »Ich will es doch nicht selber rauchen! Höchstens mal, um den THC-Gehalt zu testen. Oder war es HCG? Ich verwechsle das immer. Aber man bekommt alles, was man braucht, im Internet. Da kann man sich ein ganzes Labor bestellen, perfekt.«
»Evelyn! Dafür kannst du im Knast landen. Und ich gleich mit dir!«
Evelyn nickte gelassen. »Sag es also keinem weiter. Warst du schon im Haus? Herr Kakabulke war wirklich fleißig. Das Gästezimmer ist fertig. Sieht toll aus. Komm, ich zeig’s dir.«
Es war ganz klar ein Ablenkungsmanöver, aber ich stiefelte bereitwillig hinter ihr her. Mir war nämlich soeben ein tröstlicher Gedanke gekommen: Evelyn war ein blutiger Laie und hasste Pflanzen. Nach eigenen Angaben war es ihr stets in Rekordzeit gelungen, Zimmerpflanzen eingehen zu lassen. Es war unwahrscheinlich, dass sie die armen sensiblen Cannabis-Dinger großziehen würde. Und damit hatte sich dann die ganze Sache von selbst erledigt.
Im Haus schlug mir ein nicht unangenehmer Geruch nach frischer Farbe entgegen.
»Hier entlang.« Evelyn lotste mich zum Gästezimmer, als ob ich das erste Mal in diesem Haus wäre. Als sie die Tür öffnete, dachte ich zuerst tatsächlich, ich wäre woanders gelandet. Vom alten, düsteren Gästezimmer, dominiertvon Stiefmütterchenmonstern an der Wand und einem hässlichen Heizkörper vor dem einzigen Fenster, war nichts mehr übrig geblieben. Ich schnappte überrascht nach Luft. Sogar das alte Eisenbett war nicht mehr zu erkennen. Jemand musste in unendlicher Sklavenarbeit die einzelnen Schnörkel vom Rost befreit und dann alles cremeweiß gestrichen haben. Selbst der Plüschhase mit den Schlenkerbeinen sah aus wie ein eigens für dieses Zimmer gekauftes Accessoire.
»Hat er doch prima gemacht, der gute Kakabulke«, sagte Evelyn.
»Ja, allerdings!« Ich staunte immer noch. »Was man aus zwölf Quadratmetern alles machen kann! Wohin ist denn die Heizung verschwunden?«
»Hinter der Verkleidung«, sagte Evelyn, und jetzt sah ich, dass die ganze Stirnseite des Raumes unterhalb des Fensters mit weißem Holz verkleidet war, aus dem jemand – Herr Kabulke? – äußerst formschöne Bourbonenlilien ausgesägt hatte. Von dem schäbigen, wuchtigen Rippenheizkörper war nichts mehr zu sehen, dafür war ein wunderschöner und praktischer Fenstersims entstanden, auf dem Evelyn eine schlanke Vase mit einer einzelnen, weißen Phalaeopsis gestellt hatte. Und einen silbernen Kerzenhalter, in dem eine weiße Kerze steckte, die schon zur Hälfte heruntergebrannt war. Ehe ich mich dagegen wehren konnte, stellte ich mir Evelyn und Stephan vor, wie sie bei Kerzenlicht auf dem weißen Bett lagen und sich küssten. Brad Pitt und Jennifer Aniston, Bettszene.
Sofort hatte ich wieder Kopfschmerzen.
»Sehr schön«, murmelte ich.
»Was sagst du zu dem Spiegel?«, fragte Evelyn.
Der Spiegel hing quer über dem Kopfteil des Bettes, ein riesiges, nobles Teil mit einem breiten, weißpatinierten Rahmen.
»Wie viel?«, fragte ich nur.
»Null Cent!« Evelyn lachte. »Du erkennst ihn wohl nicht wieder, was? Es ist das braune, scheußliche Ding, das am Kellerabgang hing. Eigentlich hätte ich es zu Eberhards Garagenflohmarkt gegeben, aber es ist nun mal echter Facettschliff, und deshalb kam ich auf die Idee, einen neuen Rahmen dafür zu schreinern. Herr Kabulke hatte die Idee mit den breiten Brettern, auf die man verschiedene, auf Gehrung geschnittene Leisten aufsetzt. Hat er mal in einer Zeitschrift gesehen. Er ist ein Fan von Selbermacher-Zeitschriften. Er hat alle Jahrgänge seit 1970 archiviert. Sieht doch toll aus, oder?«
»Kann man wohl sagen.« Im Spiegel sah ich Evelyn und Stephan, wie sie
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