Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
Elisabeth.
»Nein!«, rief ich aus. »Ich würde mich überhaupt nicht trennen. Es sei denn, er würde sich von mir trennen wollen. Aber weißt du, das glaube ich nicht. Weil Evelyn und Oliver doch gerade ein Kind haben wollen, und überhaupt … Ich denke, diese Affäre, wenn sie denn überhaupt eine haben, also diese Affäre, die geht schon irgendwann vorbei.«
»Siehst du, das dachte ich mir«, sagte Elisabeth. »Der Kerl kann machen, was er will, und du wirst ihm verzeihen.«
»Hm, ja«, gab ich zu. »Ich würde ihm verzeihen. Sieh mal, zehn Jahre Ehe sind eine lange Zeit, und dann läuft ihm so ein prächtiges Exemplar wie Evelyn vor die Füße, ja, wird ihm geradezu ins Bett gelegt. Also, da müsste er doch schon ein Heiliger sein, wenn er da widerstehen könnte.«
»Ja, klar, ein Heiliger«, sagte Elisabeth. »Wenn ich so ticken würde wie du, wäre ich jetzt mit Alex verheiratet und würde ihm wahrscheinlich schon die siebte Praktikantin in Folge verzeihen. Weil ja nur ein Heiliger Praktikantinnen widerstehen kann.«
»Das ist etwas anderes«, sagte ich.
»Bei anderen ist es immer etwas anderes«, sagte Elisabeth ungeduldig.
»Außerdem ist es ja gar nicht erwiesen, dass sie wirklich was miteinander haben«, sagte ich vorwurfsvoll, so, als wäre es Elisabeth, die die ganze Zeit darüber geredet hätte.
»Eben«, sagte Elisabeth. »Sicher bildest du dir das alles nur ein und machst dir völlig umsonst Gedanken.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Du musst dir die beiden nur ansehen: Evelyn mit ihrem Lächeln und diesem Samtglanz auf der Haut, und Stephan mit seinem neuen Eau de Toilette und dem vielen Gel in den Haaren …«
Elisabeth stöhnte. »Nicht schon wieder, Olivia, bitte! Ich habe deine Jammerei über Evelyn und den heiligen Stephan allmählich satt. Wenn du ja doch vorhast, ihm zu verzeihen, dann tu das doch einfach jetzt schon. Damitsparst du dir und mir und überhaupt allen Beteiligten eine Menge Ärger.«
Ich starrte sie verwundert an. Ja, das war überhaupt die Lösung! Wieso sollte ich mich weiterhin mit der Vorstellung quälen, wie Stephan und Evelyn sich miteinander vergnügten? Ich konnte doch auch genauso gut gleich dazu übergehen, diese Tatsache als gegeben zu akzeptieren und Stephan bereits im Vorfeld zu verzeihen. Das würde von wahrer menschlicher Größe zeugen. Und weise war es obendrein.
Dummerweise wusste Stephan meine menschliche Größe und Weisheit nicht wirklich zu schätzen. Er war weiterhin schlecht gelaunt und distanziert. Und was Evelyn anging – sie war zwar deutlich netter zu mir als Stephan, aber ihr gegenüber konnte ich mich nicht so großzügig und weise zeigen. Sie spannte mir schließlich (vermutlich) nicht nur meinen geliebten Ehemann aus, sondern sie betrog (vermutlich) auch noch meinen besten Freund, den lieben, alten Blumenkohl! Das konnte ich ihr nicht so schnell verzeihen.
Evelyn hatte ihre Idee mit dem eigenen Beet nicht wieder aufgegeben. Ich hatte ihr großzügig ein geräumiges Hochbeet in Gewächshaus Nummer fünf zugewiesen, und schon am nächsten Tag war das Beet mit bester Komposterde gefüllt und sauber glatt geharkelt. Evelyns Hände sahen aber so gut manikürt aus wie eh und je, weshalb in mir der Verdacht aufkam, dass Herr Kabulke diese Arbeit für sie erledigt hatte.
»Jetzt warte ich nur noch auf die Pflanzen«, sagte sie zufrieden. Offenbar war sie im Internet fündig geworden. Hoffentlich hatte sie nichts allzu Exotisches bestellt, sonst war sie am Ende enttäuscht, wenn es nicht soanging, wie sie es sich vorstellte. Typischer Anfängerfehler.
Der Mai verging, und wir entwickelten allmählich eine gewisse Routine in unserem merkwürdigen Zusammenleben. Wir gewöhnten uns sogar an den ständigen Anblick von Doktor Berner, Bankdirektor a. D. Scherer und Großohr Hubert, die immer dann auftauchten, wenn es auf achtzehn Uhr zuging. Ich war mir nicht sicher, ob sie uns dabei ertappen wollten, wie wir gegen die Regeln verstießen, oder ob sie es verhindern wollten. Ich nahm an, es kam darauf an, was sie nun gewettet hatten: ob wir durchhalten würden oder nicht. Stephan schwor, dass er einmal sogar einen von ihnen zu nachtschlafender Zeit auf dem Hof hatte stehen und Pfeife rauchen sehen, als er aus dem Badezimmerfenster schaute.
»Ein Gutes hat das ja«, sagte er. »Solange die alten Säcke Wache halten, brauchen wir uns nicht vor Einbrechern zu fürchten.«
Die sonntäglichen Frühstücke fanden weiterhin in Fritzens
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