Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
weißem Keramiklack machen, aber noch schöner fänd ich persönlich ja sägeraues, weiß lasiertes Holz.«
»Hm«, machte ich wieder, was Evelyn als Zustimmung wertete. »Mit Weiß kann man wohl nichts falsch machen.«
»Ich sehe, da sind wir einer Meinung!« Sie lächelte so enthusiastisch, wie ich es noch nie an ihr gesehen hatte. »Im Baumarkt gibt es ganz passable, massive Buchenholzplatten für einen Spottpreis«, fuhr sie fort. »Ich hab schon mit Stephan darüber gesprochen, und er meinte, das bisschen Farbe und die paar Cent für Griffe und Platte könne er durchaus verkraften.«
»Paar Cent«, schnaufte ich. »Wohl eher ein paar hundert Euro!«
»Sagen wir mal dreihundert, alles in allem«, sagte Evelyn. »Ist aber doch ein Superpreis für eine niegelnagelneue Landhausküche! Stephans neues Sakko hat fast das Doppelte gekostet.«
»Was?«, rief ich aus.
»Armani«, sagte Evelyn. »Steht ihm aber hervorragend.«
»Hast du es ihm ausgesucht?«, fragte ich eifersüchtig.
»Nein«, sagte Evelyn. »Ich interessiere mich nicht für Herrenmode. Was ist jetzt mit der Küche? Der Kakabulke brennt schon richtig drauf, damit anzufangen.«
»Er heißt
Ka
-bulke, wie oft soll ich dir das denn noch sagen!«
Evelyn sah nicht überzeugt aus. »Hör mal, ich hab ihn doch noch mal gefragt, und er hat ganz deutlich gesagt, dass er Kakabulke heißt. Ehrlich!«
Ich verdrehte die Augen. »Der arme Mann
stottert
, warum geht das denn nicht in deinen Kopf?«
9. Kapitel
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Z u meinem großen Erstaunen gediehen Evelyns Cannabis-Pflanzen prächtig. Nach zwei Wochen erschienen bereits die Keimblättchen der Samen, und die gekauften Jungpflanzchen bekamen jede Menge anrüchig aussehende Blätter.
Wider Erwarten berührte mich der Lebenswille der Pflanzen. Es würde mir schwer fallen, sie so einfach auf den Komposthaufen zu werfen.
»Hier darf niemals eine Menschenseele hineingehen«, sagte ich zu Evelyn. »Sonst sitzen wir schneller im Knast, als uns lieb ist. Wenn Herr Kabulke die Pflanzen sieht …«
»Du kannst ja sagen, dass es Tomaten sind«, schlug Evelyn vor.
»Tomaten!«, rief ich aus. »Herr Kabulke mag ja etwas schlicht sein, aber mit Tomaten kennt er sich aus. Außerdem riechen diese Dinger hier schon so streng, dass man ganz berauscht ist!«
»Herr Kakabulke wird schon nichts verraten«, sagte Evelyn. »Da mache ich mir schon eher Gedanken um Stephan.«
»Stephan? Ja, weiß er denn nicht, was du hier treibst?«
»Bist du blöd?«, fragte Evelyn. »Diese Gaertners sind doch im Grunde stockkonservativ. Und katholisch. Die würden ausflippen, wenn sie das hier sehen würden.«
»Oh«, sagte ich. Na ja, vielleicht hatte sie Recht. Die meisten Leute würden es nicht billigen, was Evelyn hier tat. Ich sollte es auch nicht tun. Es war illegal. Und unmoralisch.
»Um Stephan musst du dir keine Sorgen machen«, sagte ich. »
Dem
können wir getrost sagen, dass es sich um Tomaten handelt – er merkt den Unterschied in hundert Jahren nicht. Wie geht es denn nun weiter? Rollt man sich den Joint aus den Blättern?«
»Nein, nein, nein«, sagte Evelyn. »Man verwendet die Blüte. Und erst mal muss ich hier eine richtig prächtige Mutterpflanze ziehen. Die männlichen Pflanzen werden nämlich gnadenlos aussortiert. Siehst du? Das hier ist so ein Männchen. Du kannst es daran erkennen, dass es keine Blütenstände ausbildet. Hier, keine feinen Samenfädchen. Es blüht zwar irgendwann, aber völlig unnütz.« Evelyn rupfte das Männchen aus dem Beet. Sein Nachbar musste ebenfalls dran glauben.
»Die Armen«, sagte ich.
»Unnütze Faulpelze sind das«, sagte Evelyn. »Aber ich erkenne sie, wo ich sie sehe. Und dann – rupf!« Sie streichelte über ein Pflänzchen. »Du hier bist ein Mädchen, nicht wahr? Wirst bald schön blühen und Mama die ganze Mühe zurückzahlen. Sieh doch, die hat schon Blütenstände angesetzt. Wie schnell das geht!«
»Muss man nicht die Seitentriebe ausgeizen, wie bei der Tomate?«
»Ausgeizen? Was soll das sein?«
»Also«, sagte ich und fasste eine der Pflänzchen an. »Man nimmt hier …«
Evelyn schlug mir auf die Finger. »Hände weg«, rief sie. »Das hier ist
mein
Beet. Um die Blümchen kümmereich mich! Ich weiß nicht, was herumgeizen ist, aber ich werde sofort im Internet nachschauen, ob man das mit meinen Blümchen hier machen darf!«
»Ich glaube nicht, dass man Blümchen dazu sagen kann«, sagte ich.
»Nenn sie, wie du willst, aber lass sie in Ruhe«, sagte Evelyn.
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