Ein unsittliches Angebot (German Edition)
neben ihr, und seine Hände flochten gedankenverloren eine Strähne ihrer Haare. »Tue ich das wirklich?«
»Natürlich tust du das. Alle, die zu Besuch gekommen sind, haben in den wärmsten Tönen von dir gesprochen. Sie haben dich jetzt schon ins Herz geschlossen.« Feigling. Das war weder was er hören noch was sie wirklich sagen wollte.
Du kennst ihn keine vier Wochen. Jedwede Gefühle, die eine Dame in dieser Zeit entwickeln kann, können nur Einbildung sein. Die Ermahnung enthielt eine gewisse Wahrheit, und doch … Was, wenn nicht Zuneigung, konnte sie wünschen lassen, Worte zu finden, die ihnen beiden mehr bedeuteten?
Berühre mich , könnte sie sagen. Erwecke Gefühle, welche auch immer du willst. Die Signale funktionierten nicht, und sie würde nicht mehr viele Gelegenheiten haben. Dreißig Tage waren es nun seit dem Beginn ihrer letzten Blutung. So etwas kam vor. Der Misserfolg konnte sich jederzeit ankündigen. Genug vergangene Tage würden ebenfalls das Ende ihrer Beziehung bedeuten.
Sie schloss die Augen und rief die nach Zitrus duftende Dunkelheit herbei, die kleine Spitzen der Freude brachte: die tausend winzigen Züge an ihrer Kopfhaut, während er eine Haarsträhne über oder unter die andere legte. Ab und zu kamen seine Finger selbst versehentlich in köstlichen Kontakt mit ihrer Haut.
Berühre mich . Die Oberlippe auf die Unterlippe, das wäre der Anfang. Sie konnte es mit geschlossenen Augen sagen, wenn sie wollte.
»Du kommst doch morgen mit, oder?« Plötzlich verließen seine Hände ihr Haar. »Wenn ich mich mit den Arbeitern treffe? Ich habe Granville auch gebeten, mitzukommen, und ich hätte dich gern dabei, da du ja von Anfang an an der Sache mitgewirkt hast.«
Als sie die Augen öffnete, sah sie, wie er auf die Ellbogen gestützt dalag und sie eindringlich ansah, wie um ihre Zustimmung zu erkämpfen.
Welch absurde Qual. Nie führte er sie so sehr in Versuchung, wie wenn er vergaß, lüstern zu sein, und all seine Aufmerksamkeit auf das eine oder andere Anliegen richtete. Doch sie musste seiner ehrbaren Führung folgen und andere Gedanken sein lassen. »Natürlich komme ich mit«, sagte sie. »Das möchte ich um nichts in der Welt verpassen.«
»Tatsache ist: Ich weiß nichts über Molkereien als das, was ich gelesen oder von anderen gehört habe.« Theo saß am Kopf seines riesigen Esstischs, die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt, und seine Hände beschrieben Gesten, die seine Worte untermalten. Im Stehen hätte er vermutlich mehr Autorität ausgestrahlt, doch im Sitzen ermunterte er seine Zuhörer zu mehr Ungezwungenheit. »Wir dürfen auch nicht vergessen, dass ich nicht hier sein werde, um mich darum zu kümmern. Ich hoffe, dass ich in absehbarer Zeit wieder nach London ziehen werde.« Er warf Granville am anderen Ende des Tisches ein kurzes Lächeln zu. Das Exil fühlte sich ganz anders an, jetzt, da er wusste, dass sein Vater Geld beiseitegelegt hatte, im Vertrauen darauf, dass er sich gut machen würde. »Der Erfolg des Unternehmens wird also nicht in meinen, sondern in Ihrer aller Hände liegen. In Anbetracht dessen würde ich gern hören, wie Sie darüber denken. Keine Ehrerbietigkeit, bitte! Wenn Sie der Meinung sind, es sei eine Schnapsidee, dann müssen Sie es sagen. Mr Barrow, fangen Sie bitte an.«
Er ergriff seine Teetasse und lehnte sich zurück. Zu seiner rechten saß Mr Barrow, eine Decke um die Schultern, in einem Sessel, der aus dem Salon hereingebracht worden war. Er war noch nicht vollständig wiederhergestellt, aber es ging ihm von Tag zu Tag besser.
Hinter dem alten Mann, der nun begann, von verschiedenen Molkereimethoden zu sprechen, hatte er einen freien Blick auf Mrs Russell am anderen Tischende, die in einem weiteren Sessel saß. Sie hatte einen Platz an der Tafel abgelehnt, denn sie wollte lieber vom Rande aus beobachten. Aufmerksam sah sie zu, die Hände im Schoß gefaltet, aufrecht wie ein Schürhaken. Sie war nicht wirklich eine Sesselfrau, diese Witwe.
Vor drei Wochen – Teufel noch mal, vor zweien – hätte er gar nicht bemerkt, wie sehr sie es genoss. Ihre Freude sah anders aus als die jeder anderen Frau, die er kannte. Meistens jedenfalls. Über ihre Besucher hatte sie sich ganz unreserviert gefreut, soweit man das aus der Art schließen konnte, wie sie später davon erzählt hatte.
»Haben Sie daran gedacht, eine Eselin oder zwei zu halten, zusätzlich zu den Kühen?«, fragte Mrs Rowlandson und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf
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