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Ein unsittliches Angebot (German Edition)

Ein unsittliches Angebot (German Edition)

Titel: Ein unsittliches Angebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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erste Ehe glücklich?« Die Frage drängte sich ohne Umsicht hervor.
    Mr Atkins wandte sich nach ihr um, bevor er sich wieder seiner Arbeit zuwandte. »Ich glaube schon. Ihr Tod war jedenfalls ein entsetzlicher Schlag für ihn.« Die Heckenschere sang in der folgenden Pause weiter. »Ab jenem Zeitpunkt … wurden seine Angewohnheiten deutlich schlimmer.« Auch er sprach beinahe unfreiwillig; der Gedanke stahl sich hervor, ergriff von seiner Zunge Besitz und brachte die bisher stille Friedhofsluft in Unruhe.
    »Mir war nicht bewusst, dass Sie davon wussten.« Sie kniete sich wieder hin; ihre Beine brauchten plötzlich alles an festem Grund unter sich, was sie bekommen konnten.
    »Ich habe früh gelernt, die Symptome zu erkennen.« Er hielt die Schere still, saß einfach da und betrachtete sie eine Sekunde lang oder auch fünf. »Wenn ich Sie etwas sehr Zudringliches fragen darf …« Er blickte auf und erwiderte ihren Blick, die Augenbrauen schräg wie jener Akzent, mit dem die Franzosen ihren Buchstaben E markieren. »Ich habe ihn nie für gewalttätig gehalten. Ich habe mich hoffentlich nicht geirrt?«
    »Er war nicht gewalttätig.« Ihr Körper war wie steif gefroren, unbeweglich wie die Steine auf den Gräbern und jene, die unter ihnen lagen.
    »Gut.« Er ließ den Blick wieder auf das Werkzeug sinken und nahm es gedankenverloren in die andere Hand. »Keine Frau sollte gezwungen sein, das zu ertragen.« Sie konnte beinahe die Erinnerungen hinter seinen Worten sehen, wie eine böswillige Wolke um seine Schultern. So eifrig hatte sie Dinge vor ihm verborgen und nie innegehalten und sich gefragt, welche Geheimnisse er seinerseits haben mochte. »Ich hätte Ihnen ein besserer Freund sein sollen, da ich Ihre Umstände kannte.«
    »Sie waren ein wunderbarer Freund.«
    Er verzog den Mund und schüttelte den Kopf. »Ich bin davor zurückgeschreckt, ein Thema zur Sprache zu bringen, bei dem Sie sicherlich etwas Mitgefühl hätten gebrauchen können.«
    »Das sind wir beide. Wir haben beide die Schicklichkeit einer unschicklichen Vertrautheit vorgezogen. Sie haben sich nichts vorzuwerfen.« Und die Schicklichkeit stellte jetzt weniger harte Anforderungen. In Zukunft würden sie offener miteinander sprechen können. »Es tut mir leid, was Sie gelitten haben müssen. Haben Sie je zu jemanden davon gesprochen?« Das hatte Mr Mirkwood sie gefragt, ohne viel Erfolg.
    »Mein Bruder und ich sprechen davon, wenn wir uns treffen.« Er strich sich das Haar aus der Stirn, das ihm immer wieder ins Gesicht fiel. Er hatte seinen Hut nicht wieder aufgesetzt. »Inzwischen können wir sogar über manche Dinge lachen, ehrlich gesagt.« Mit der anderen Hand benutzte er wieder die Schere und bückte sich, um das Gras neben dem Grabstein zu kürzen. »Unsere Mutter hatte Mittel und Wege, zurechtzukommen. Mein Bruder wollte nach Oxford gehen, obwohl alle männlichen Atkins in Cambridge gewesen waren. Allein hätte er Vater niemals herumgekriegt. Genau genommen hat er das auch nicht.« Er erzählte die Geschichte mit derselben sorgfältigen Liebe zum Detail, mit der er das Gras schnitt. »Eines Tages sagte Mutter Vater einfach, er habe Oxford zugestimmt. Und sein Erinnerungsvermögen war derart, dass er nie erkannte, dass er das nicht hatte.«
    Ihre Handschuhe fühlten sich an, als würden sie aus den Nähten platzen, so fest ballte sie die Fäuste. Ihr Herz brach ihr fast die Rippen. Von jetzt an würde sie aufrichtig sein. Sie würden eine bessere Freundschaft aufbauen, eine wahre Freundschaft, voller Offenheit und Aufrichtigkeit, wo Täuschung und Unaufrichtigkeit gewesen waren. »Mr Atkins.« Ihre Stimme klang hoffnungsvoll.
    »Mrs Russell.« Seine Handfläche streckte sich ihr abwehrend entgegen. Sein Gesicht wandte sich ihr nicht zu. »Ich darf es nicht wissen. Sie verstehen doch, oder? Ich darf es nicht wissen.« Langsam, als Antwort auf ihr Schweigen, senkte sich seine Hand wieder auf das Gras und die Schere schnippte weiter.
    Aber ganz offensichtlich wusste er es. Und die Botschaft war eindeutig: Offenheit zwischen ihnen konnte nur so weit gehen.
    Enttäuschung wirbelte ihre Eingeweide auf wie den Sand eines aufgewühlten Flussbetts. Ohne guten Grund. Verschwiegenheit war etwas Respektables. Man konnte ja nicht wie Mr Mirkwood alles unverblümt aussprechen, was einem in den Sinn kam.
    Ihre Fäuste lösten sich, sie verschränkte die Finger und ließ das Klappern der Schere und die entfernten Rufe von Schafen die Pause füllen, bis er

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