Ein unsittliches Angebot (German Edition)
getroffen?«
»Auf dem Gut direkt östlich von hier. Sie sind Landarbeiter dort. Ich weiß nicht, was ihr Mädchenname gewesen ist, aber sie hat einen Mr Weaver geheiratet, und ihr Vorname ist Livia oder vermutlich Olivia.«
Mrs Kearney nickte bereits. »Das ist eine von den beiden. Von den beiden, über die Schande gebracht worden ist. Die andere ist nach London gegangen und nie wiedergekommen. Aber sie ist in der Gegend geblieben, in der sie aufgewachsen ist.«
Ja. Diese Vermutung hatte in einer dunklen Ecke ihres Bewusstseins herumgespukt. Sie hatte sie nicht ans Tageslicht gelassen. Ihre Finger verkrampften sich. »Weiß ihr Mann davon?«
»Oh ja.« Sie nickte abermals, während ihre Hände unbeirrt weiterarbeiteten. »Er hat sie schon als Mädchen gekannt und sie fast ebenso lang geliebt, schätz ich. Aber nachdem sie hier eine Stelle gefunden hat, wäre es für sie ein Abstieg gewesen, einen Bauernsohn zu nehmen.«
»Das kann ich ihr nicht verübeln.« Sonderbar, dieser Drang, eine Frau zu verteidigen, der ihre Wohltätigkeit bestimmt nicht willkommen gewesen wäre. »Wir sind keine Männer, wir haben nicht so viele Möglichkeiten, in der Welt emporzukommen. Eine Frau hat die Pflicht, so vorteilhaft wie möglich zu heiraten.«
»Sie kann von Glück sagen, dass sie überhaupt noch geheiratet hat, nach dem, was ihr passiert ist. Keiner hat gedacht, Mr Weaver würde seinen Antrag erneuern. Keiner hätte es ihm verübelt, wenn er sich von ihr abgewandt hätte. Aber er hat sie halt so geliebt.«
»Das war … sehr lobenswert von ihm.« Es war mehr als lobenswert, doch sie konnte nicht die richtige Bezeichnung dafür finden. »Sprechen Sie je mit ihr?«
»Kein Wort in sechzehn Jahren!« Mrs Kearney seufzte und ließ ihre Hände ruhen. »Ich habe ihr nie die Schuld gegeben. Keiner vom Gesinde hat das getan. Aber wenn ich ihr auf der Straße begegne oder in der Stadt dann starrt sie bloß geradeaus und kennt mich nicht.«
Sessel und Tische und Tee-Geschirr verschwammen, als die Welt sich auf zwei Worte verengte. »Sechzehn Jahre.« Natürlich. Dennoch entlassen, wegen des Zustands, in dem sie sich befanden . Das hatte Sheridan gesagt. »Doppelt gestraft war sie.« Der Haken nahm seine Arbeit wieder auf. »Jedes Kind wäre eine schmerzhafte Erinnerung an die ganze Geschichte gewesen, schätze ich. Aber ein schwachsinniges Kind, wo man sich sein ganzes Leben drum kümmern muss …« Sie schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht, wie sie das aushält. Ich könnte es nicht.«
Doch man ertrug, was man ertragen musste. Die Frage nach dem Könnte stellte sich nicht. Obwohl man vielleicht manchmal sein Leid mit Freunden und Wohlgesinnten teilen und halbes Leid daraus machen konnte. Es hieß, dass das helfen sollte. Selbst einer so kühlen und unnachgiebigen Frau wie Mrs Weaver würde etwas Mitgefühl vielleicht guttun.
Und wieso sollte es bei Mitgefühl bleiben? »Seton Park schuldet dieser Frau Wiedergutmachung. Wir schulden dem Mädchen etwas.« Ihre unvorsichtige Zunge hielt mit ihren Gedanken Schritt. »Wenn die Vorsehung jemanden vernachlässigt, ist es an uns, einzuspringen.« Hinter den Fehlern der Vorsehung aufwischen! Wenn Mr Atkins sie jetzt hören könnte, würde er die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
So sei es. Sie war der Gerechtigkeit etwas schuldig. Die Gerechtigkeit war Mrs Weaver und ihrer Tochter etwas schuldig, mit hohen Zinsen inzwischen. Sie bedankte sich bei Mrs Kearney und verabschiedete sich. Mehr denn je musste sie jetzt eine Möglichkeit finden, Seton Park zu behalten.
13
Vielleicht hätte sie es Mr Mirkwood erzählt. So, wie er sich für die Landarbeiterfamilien interessierte, hätte er diese traurige Geschichte vermutlich gern gehört. Doch als er an jenem Abend hereinkam, so erfüllt von all dem, was er über das Dachdecken gelernt hatte, und von dem gelungenen Picknick, da erschien es ihr grausam, ihn mit düsteren Geheimnissen zu belasten.
Dann, nachdem er seine Befriedigung gehabt hatte und sie ihren Samen, wollte er über das Molkereiprojekt sprechen.
»Das Hauptproblem ist, dass es Profit abwerfen muss.« Er lag auf dem Rücken, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, eine undeutliche Form im Mondschein. »Granville und mein Vater würden sich nicht dazu hergeben, Pencarragh in ein gemeinnütziges Unternehmen zu verwandeln. Obwohl wir weiß Gott genug Einkommen von unseren anderen Ländereien haben, vom Familienvermögen mal ganz abgesehen.
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