Ein unverbindliches Ja
und in einer halben Stunde wartet der Termin mit Herrn Keller auf mich, dem Leiter der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses. Ich mache mir einige Notizen zur weiteren Vorgehensweise mit meinem Hypnosepatienten und verlasse das Büro.
Draußen im Park des Krankenhausgeländes laufe ich gedankenversunken durch die Anlage, als mein Handy summt: Lade dich herzlich zu mir ein, bei Champagner ein paar Erdbeeren im Whirlpool zu vernaschen. PS: Du darfst auch gerne wieder meine Hand streicheln. Jens.
So ein Mist. Da hat er gestern wohl etwas falsch verstanden. Was für ein Schlamassel. Mein Herz schlägt allein nur für Hendrik. Ich erinnere mich an die Worte von Herrn Mauser. Hier geht es um die zarte Pflanze der Liebe. Wenn Hendrik und ich eine Chance haben wollen, darf ich mir jetzt keinen Fehler erlauben.
Ich hoffe, dass mein angebliches Händestreicheln nicht zu Hendrik vorgedrungen ist und Bedenken bei ihm ausgelöst hat. Ich gebe folgende Antwort: Danke für die Einladung, aber nicht ohne Hendrik!
Ich bin gerade dabei die SMS abzuschicken, als Karsten mir über den Weg läuft.
»Na, Frau Doktor, darf ich mich auch mal auf Ihre Couch begeben?« Sein unverschämtes Grinsen springt ihm förmlich aus dem Gesicht.
»Nein, danke, ich kümmere mich ausschließlich um Patienten, denen noch zu helfen ist!«
»Na dann mal viel Spaß bei Herrn Keller!«, ist sein Kommentar, als er sich wieder entfernt. Das ist das Krankenhausleben live! Natürlich wissen schon wieder alle Bescheid, dass ich in die Höhle des Löwen muss.
Aber zuerst geht es darum, die Hypnosestunde so erfolgreich wie möglich hinter mich zu bringen. Immerhin hat die erste Sitzung durch Herrn Kleinschmidt, unser erfahrenster Hypnotiseur, bereits erste kleine Fortschritte ergeben, auch für die Ermittlungen der örtlichen Polizei, die sich von der Hypnose eine Aufklärung des Unfallhergangs verspricht. Patienten dürfen einer solchen Strapaze nicht zu schnell hintereinander ausgesetzt werden, deshalb sind bereits einige Wochen seit dem schweren Unfall vergangen. Heute nun soll es wieder so weit sein. Ich werde bei der Sitzung anwesend sein, und meine Aufgabe ist vor allem die Nachbetreuung des verstörten Patienten.
Die Hypnose bringt folgendes zutage: Der Patient war hinter dem Steuer tatsächlich kurz eingenickt, was sicherlich mit den 2,2 Promille zusammenhing, die man später in seinem Blut nachwies. Das wird sich auf seine Schuldfähigkeit auswirken. Als er durch den Aufprall mit dem Kopf gegen das Armaturenbrett geschleudert wurde, schreckte er auf und sah mehrere kleine Lichter, die er als ›wild durcheinanderwirbelnd‹ beschreibt. Das Schauspiel dauerte seiner Schilderung nach nur wenige Sekunden, danach entfernten sich die Lichter langsam. An mehr kann er sich nicht erinnern, weil er dann bewusstlos wurde.
Um endlich Zeugen dieses schrecklichen Unfalls ausfindig zu machen, soll nun eine Großfahndung nach allen Motorradfahrern herausgegeben werden, die im Umkreis von fünfzig Kilometern wohnen. Denn alles spricht dafür, dass diese sich schnell bewegenden ›Waldlichter‹ nur Zweiräder sein können. Ein Auto wäre auf dem lockeren Waldboden gar nicht in der Lage gewesen, sich derart schnell fortzubewegen.
Der Patient wird medikamentös ruhig gestellt und zur Überwachung ins Schlaflabor gesteckt. Ich habe für diesen Tag keine weiteren Termine gemacht, wohlweislich, damit ich bei eventuellen Komplikationen zur Verfügung stehe. Mein Pieper ist aktiviert. Nachdem Herr Kleinschmidt und ich von der Polizei befragt worden sind, schließe ich mich in meinem Behandlungsraum ein und mache mir einen Kaffee. Ich sinniere über Alkohol am Steuer.
Wenig später stehe ich im Vorzimmer von Herrn Keller. Sabine Oberhoff, seine Vorzimmerdame, mustert mich durchdringend.
»Herr Keller kommt gleich, du kannst dich schon mal in sein Zimmer setzen.«
Ich lasse mich in den großen Sessel vor seinem Schreibtisch fallen, betrachte die vielen Bücher über die Irrungen und Wirrungen der Menschen und überlege, welche neuen Pfade ich zur Zeit beschreite. Weiter kann ich mich meinen Gedanken nicht hingeben, da Herr Keller in diesem Moment zur Tür hereinkommt. Ohne ein Wort setzt er sich hinter seinen Schreibtisch und bittet seine Sekretärin um ein paar Minuten Ruhe. Dann sieht er mich schweigend an.
Ich hasse diese Machtspiele, sie können Sekunden zu Minuten werden lassen. Da ich weiß, dass ich nicht ohne Grund in sein Büro zitiert worden bin, und
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