Ein unverschaemt charmanter Getleman
vermochte.
Sie hatte ja keine Vorstellung davon gehabt, wie sehr sie es bedauern würde, Nein zu sagen, als er von Heirat sprach, und ihn - und auch sich selbst natürlich - stattdessen an die nüchternen Tatsachen zu erinnern und an die Kluft, die sich zwischen ihnen auftat und sie voneinander trennte.
Ihr war nicht bewusst gewesen, wie schmerzlich dies sein und wie schwer es ihr fallen würde, ihn von sich zu weisen.
Nun wusste sie, dass sie einen entsetzlichen Fehler gemacht hatte.
Doch es war geschehen und konnte nicht mehr ungeschehen gemacht werden.
Zumindest würde sie haben, was sie hatte haben wollen -oder was sie geglaubt hatte, haben zu wollen: eine Erfahrung, eine Erinnerung.
Mit der Zeit, so redete sie sich gut zu, würde sie lernen, sich mit Freude an diese Erfahrung zu erinnern. Sie würde sich daran erinnern, dass ein Mann ... Mirabel lächelte reuevoll. Nein, nicht lediglich ein Mann. Ein gut aussehender Ritter war auf einmal in ihr Leben hineingeritten gekommen und hatte ihr eine Zeit lang das Gefühl gegeben, die holde Maid in einer romantischen Geschichte zu sein. Heute Nachmittag nun hatte sie sich für eine kleine Weile vorstellen können, wie diese Geschichte ein glückliches Ende nähme.
Das ist mehr, als du gestern hattest, sagte sie sich.
Und so beschloss sie, vergnügt und zuversichtlich zu sein. Allerdings sah sie sich noch nicht imstande, Mrs. Entwhistle gegenüberzutreten, und so ging Mirabel, nachdem sie zu Hause eingetroffen war, geradewegs in das Studierzimmer.
Doch das war wiederum ein Fehler, denn kaum hatte sie sich hinter den Schreibtisch gesetzt, erinnerte sie sich auch schon an die erste leidenschaftliche Umarmung ... an die warmen, starken Hände, die sie auf ebendiesen Schreibtisch gehoben hatten ...
Ärgerlich schob sie die Erinnerung beiseite.
„Später“, murmelte sie. „Später kannst du Trübsal blasen.“
Sie zwang ihre Gedanken zurück zu jenem Ereignis, das dem fatalen Fehler des heutigen Tages unmittelbar vorangegangen war: das Treffen mit den Frauen von Longledge ... und deren Ehemännern - jenen Kaufleuten und Bauern, die nicht laut ihre Meinung zu sagen wagten.
Mirabel erhob sich wieder vom Schreibtisch und ging hinüber zum Fenster, um in die langsam einsetzende Dämmerung hinauszublicken. Von hier bot sich keine allzu gute Aussicht, aber selbst das wenige, das zu sehen war - ein flüchtiger Blick auf die Waldung, die so knapp nur Caleb Finchs Holzfällern entkommen war -, empfand sie als wohltuenden Balsam für ihre müden Lebensgeister und ihr verwirrtes Herz.
Sobald ihr Bedauern ein wenig nachließ, wandte sie ihre Gedanken wieder ihrem ursprünglichen Plan zu.
Er war nicht gut durchdacht gewesen, wohl wahr. Denn wenngleich Mr. Carsington nicht gewillt schien, von seinen Vorteilen unredlichen Gebrauch zu machen, so war er doch jenem Mann verpflichtet, der ihm das Leben gerettet hatte. Wie sollte er Lord Gordmor gegenübertreten und sagen: „Es tut mir leid, so vorzeitig schon zurückkehren zu müssen, aber niemand wollte sich mit mir anlegen. Von einer liebeshungrigen alten Jungfer abgesehen, machen sie alle das, was ich sage. Es ist besser, wenn du an meiner statt gehst, weil sie die Auseinandersetzung mit dir nicht scheuen werden.“
Nun, wo sie sich diese Begegnung vorstellte, erkannte Mirabel, wie lächerlich eine solche Begründung klang. Lord Gordmor würde sich nicht einmal von seinem Freund verraten glauben - er würde glauben, dass er verrückt geworden sei.
Er würde glauben ...
„Verrückt“, wiederholte sie leise. „Leidend. Eine Verschlechterung. Schlaflosigkeit. Erschöpfung der Nerven. So hat es der Doktor gesagt.“
Kurzerhand, bevor noch ihr Gewissen sich regen und sie davon abbringen konnte, setzte sie sich und begann, die entsprechenden Briefe zu schreiben. Das war bald getan, und sobald sie damit fertig war, machte Mirabel sich auf die Suche nach ihrem Vater, um ihn seine Unterschrift daruntersetzen zu lassen.
Nach Auskunft von Benton war es unwahrscheinlich, dass Mr. Oldridge sich heute weit vom Haus entfernt hatte, denn er hatte sich wegen einer neuen Spezies aus fernen Gefilden, die just diesen Morgen geliefert worden war, außergewöhnlich besorgt gezeigt.
Mirabel fand ihren Vater in einem der Gewächshäuser, wo er sich mit sorgenvoll gefurchter Stirn über eine beklagenswert schrumpelige und ihr unbekannte Form pflanzlichen Lebens beugte. Captain Hughes leistete ihm dabei Gesellschaft und schien das
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