Ein unverschaemt charmanter Getleman
Feindseligkeit auszubreiten. Sie buhten Gordy aus, der sich bemühte, Antworten zu geben, und ließen den armen Ingenieur gar nicht mehr zu Wort kommen. Vergeblich versuchte Sir Roger, die Versammelten zur Ordnung zu rufen. Die anwesenden Politiker erinnerten sich auf einmal dringender Termine und machten sich eilig davon. Auch einige der Damen hatten die Zusammenkunft bereits verlassen.
Alistair blickte zu Miss Oldridge empor. Sie trug eine Miene reinster Unschuld zur Schau und vermittelte den Eindruck, als ob sie nicht nur in keiner Weise etwas mit dem Tumult zu tun hatte, der zu ihren Füßen tobte, sondern auch nichts daran von besonderem Interesse fand - Alistair eingeschlossen.
Ihr Blick war wie ein Fehdehandschuh, den sie ihm zu Füßen warf, und Alistair war zu sehr ein Carsington, als dass er vor einer solchen Herausforderung zurückweichen würde.
Widerwillig hatte er sich damit einverstanden erklärt, nur seinen Vortrag zu halten und nicht mehr. „Du hast zu viele Skrupel und bist zu nachgiebig“, hatte Gordy ihn wissen lassen. „In der Politik erreicht man ohne Geld und Einfluss gar nichts. Da wir nicht gerade in Geld schwimmen, müssen wir unseren Einfluss bestmöglich nutzen.“
Was das genau hieß, hatte Alistair gestern Abend erfahren. Er habe gut auszusehen, charmant zu sein und seinen Mund zu halten. Alle Verhandlungen solle er Gordy überlassen.
Das hätte er auch getan. Er hätte still seine Hände geballt und sich lieber die Zunge abgebissen - wenn nur Miss Oldridge jetzt nicht so provozierend gelächelt hätte. Und das nach allem, was er für sie getan hatte!
Sie hatte ihm einmal gesagt, dass sie ihn mit jeder Waffe bekämpfen werde, die ihr zur Verfügung stehe, und hatte ihn davor gewarnt, dass sie nicht sonderlich von Skrupeln geplagt werde.
Vielleicht war sie davon ausgegangen, dass er ritterlich darauf verzichten würde, sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Vielleicht hatte sie gar angenommen, dass die einzige ihm verfügbare Waffe sein gutes Aussehen war. Oder dass seine einzige Strategie darin bestünde, die Landbevölkerung vor seinem legendären Ruhm und seiner einflussreichen Familie in Ehrfurcht erstarren zu lassen - und in Ermangelung anderer Mittel die Frau zu verführen, die sich von derlei nicht beeindrucken ließ.
Er konnte nicht wissen, was sie sich gedacht hatte. Aber das machte auch nichts. Ihre unschuldig lächelnde Miene brachte ihn in Rage. Er würde sich das nicht länger schweigend mit ansehen! Sein Ehrgefühl und sein Stolz, seine Loyalität und sein Pflichtbewusstsein verlangten von ihm, dass er kämpfte - und er wollte kämpfen, um zu siegen.
Er stand auf und ließ sich nicht einmal von seinem Bein irritieren, das sogleich erbarmungslos aufbegehrte und eine Folge stechender Schmerzen von der Hüfte bis zum Hacken sandte.
„Gentlemen“, begann er. Er erhob nicht einmal seine Stimme. Cairsingtons bedurften dessen zumeist nicht. Sie verließen sich auf die kraftvolle Ausstrahlung ihrer Persönlichkeit.
Seine tief brummelnde Stimme trug mit Leichtigkeit bis in den hintersten Winkel des Saals, und der Lärm verstummte sogleich ein wenig.
„Meine Herren“, wiederholte er, „und meine Damen.“ Er schickte einen kurzen Blick hinauf zu Miss Oldridge.
Der Tumult verebbte zu einem leisen Stimmengewirr, dann zu einem kaum mehr merklichen Murmeln, dann zu erwartungsvollem Schweigen.
„Es wäre mir eine große Ehre, Ihre Bedenken der Reihe nach ansprechen zu dürfen“, fuhr er fort. „Lassen Sie mich gleich mit der maßgeblichen Frage nach der Wasserversorgung und dem Speichersee beginnen.“
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt spazierte Mr. Oldridge in Begleitung seines einstigen Verwalters in die Gegenrichtung -nach Longledge Hill und nicht nach Matlock Bath.
Die beiden waren sich durch einen sorgfältig geplanten Zufall begegnet.
Caleb war gerade aus einer spontanen Laune heraus gen Matlock Bath geschlendert, als er Mr. Oldridge traf, der gleichfalls zu Fuß unterwegs und frohen Mutes dazu entschlossen war, seine Pflicht zu tun, wie seine Tochter es von ihm erbeten hatte.
Es überraschte ihn, allerdings keineswegs unangenehm, Caleb Finch zu sehen. Als Finch damals entlassen worden war, hatte Mr. Oldridge sich am Tiefpunkt seiner Melancholie befunden, aus der er erst in letzter Zeit langsam herausfand. Seine Tochter hatte keinen Grund gesehen, ihn mit den unerfreulichen Einzelheiten ihrer Entscheidung zu behelligen. Sie hatte ihm lediglich mitgeteilt, dass
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