Ein unverschaemt charmanter Getleman
immer so bei Wind und Wetter allein in den Bergen herumwanderte. Niemand würde besonders überrascht sein, wenn man seine Leiche fand. Falls man sie denn jemals fand.
Aber Jackson wollte wie gesagt nicht Weggehen, und nun saßen sie hier fest, alle drei, in dieser verrußten kleinen Kate -und weil Mr. O. ein Gentleman war, bekam er natürlich das einzige Bett und die besten Vorräte zu essen und Wein auch, ganz wie Sie wünschen, mein Herr.
Als am Donnerstagmorgen die Wirkung des Cordials nachließ, versuchte der Alte dann auch noch, sich heimlich davonzumachen. Danach mussten sie dazu übergehen, ihm regelmäßig etwas reines Laudanum zu verabreichen, von dem Caleb aber auch stets ausreichend bei sich trug - für den Fall eines Grubenunglücks, wie er sagte.
Doch es war Jackson, der dem Gefangenen seine Dosis verabreichte, und er geizte ganz gehörig damit - gab ihm gerade mal genug, dass Mr. O. glücklich lächelnd und verträumt still an seinem Platz blieb und stundenlang einen alten Zweig oder eine Feder betrachtete.
Im Lauf des Vormittags ging Calebs Geduld aber langsam zu Ende. „Wir vergeuden einen Tag, und Northumberland sind wir kein Stück näher gekommen“, sagte er mürrisch zu Jackson.
„Ich werde mich darum kümmern, uns eine Kutsche zu mieten“, versprach Jackson. „Ich bin so bald wie möglich zurück.“
Als er kurz darauf aufbrach, nahm er zu Calebs großer Verärgerung nicht nur ihr einziges Pferd, sondern auch die Laudanumflasche mit.
Alistair erreichte Oldridge Hall erst am späten Nachmittag. Er fand das Haus fast völlig verlassen vor, da die meisten der Bediensteten bei der Suche nach Mr. Oldridge halfen.
Gleich drei Suchtrupps waren losgeschickt worden, die bevorzugten Erkundungsziele des Botanikers zu durchforsten. Sir Roger Talbot führte eine Gruppe an, die das Gebiet um Matlock und Matlock Bath herum absuchen sollte. Captin Hughes wollte sich mit seinen Leuten des Südostens von Longledge Hill annehmen. Mirabel und ihre Bediensteten versuchten, Mr. Oldridge auf den weitläufigen Ländereien seines Anwesens aufzuspüren.
Mrs. Entwhistle war als Koordinatorin der Suchaktion in Oldridge Hall geblieben, wo sie Nachrichten der einzelnen Suchtrupps empfing und deren Neuigkeiten weiterleitete. Als man Alistair in die Bibliothek führte, traf er sie am Schreibtisch sitzend an.
Sie verschwendete keine Zeit mit höflichen Floskeln und Gepflogenheiten, sondern unterrichtete ihn umgehend über die derzeitige Lage.
Mr. Oldridge hatte es noch nie versäumt, rechtzeitig zum Abendessen zu erscheinen, rief sie ihm in Erinnerung. Nur äußerst selten ließ er sich zudem dazu bewegen, außer Haus zu essen. Als er am Mittwochabend nicht zurückgekehrt war, musste Benton folglich sofort auf ein Unglück schließen, denn Mr. Oldridge dehnte seine Wanderungen auch nie so weit aus, dass es ihm nicht gelänge, doch noch pünktlich zum Abendessen zu Hause zu sein. Nicht einmal unwirtliches Wetter vermochte ihn dann mehr aufzuhalten. Deshalb hatte Benton bei seinem Ausbleiben unverzüglich seine Herrin benachrichtigen lassen - sollte Mr. Oldridge in der Zwischenzeit doch noch auftauchen, hätte man einfach einen weiteren Boten losschicken können, der Miss Oldridge auf ihrem eiligen Rückweg wieder abfinge.
Doch Mr. Oldridge war in der Zwischenzeit nicht aufgetaucht. Er hatte auch nicht außer Haus gegessen.
„Folglich bleibt uns nur zu hoffen, dass es sich bei dem Unglück um ein geringfügiges handelt“, schloss Mrs. Entwhistle.
Alistair nickte und musste an seinen Sturz in den Briar Brook denken - ein gestauchter Knöchel und eine leichte Gehirnerschütterung. Ebenso gut hätte er sich das Genick brechen können.
„Mr. Oldridge hat fast sein ganzes Leben lang derlei Wanderungen über Land gemacht“, meinte er. „Er ist flinker und wendiger als ich - mir scheint gar, dass er noch ebenso flink und wendig ist wie als junger Mann. Und wer kennt sich in den umliegenden Bergen und Tälern besser aus als er? Es kann sich eigentlich nur um einen kleinen Unfall handeln. Und wenn mittlerweile so zahlreich nach ihm gesucht wird, bin ich ganz gewiss, dass man ihn noch heute findet. Lassen Sie mich nur wissen, wie ich Ihnen helfen kann.“
„Sie gehen am besten zu Mirabel“, erwiderte die gute Dame. „Zwar weiß sie genau, wie vorzugehen ist, aber ein wenig moralische Unterstützung würde ihr guttun.“ Mirabels einstige Gouvernante musterte ihn scharf mit einem durchdringenden Blick, der in
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