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Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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seine Geduld. „Sie wollen mir hoffentlich nicht weismachen, dass sie über das Alter hinweg sei“, meinte er aufgebracht. „Miss Oldridge mag wohl eine unverheiratete Jungfer sein, aber keineswegs ist sie alt und verblüht. Und damit will ich sagen - um die Dinge endlich einmal beim Namen zu nennen -, dass sie noch jung genug ist, sich fortzupflanzen. Was wiederum heißt, dass sie längst nicht über das Alter hinweg ist, in Versuchung zu geraten oder verführt zu werden - oder dessen verdächtigt zu werden. Und Letzteres reicht schon als Anlass für Gerede.“
    Mrs. Entwhistle funkelte ihn wütend an.
    Im Laufe seiner nicht immer unstürmisch verlaufenen Marinelaufbahn war Captain Hughes des Öfteren solch wütenden Blicken seitens hoher Admiräle und Abgeordneter ausgesetzt gewesen. Wenngleich Mrs. Entwhistles finstere Miene ihn durchaus mehr berührte, als die aller Admiralitätsbeamter und Politiker es jemals vermocht hatten, so war er letztlich doch ein grantiger alter Seebär, der ihrem Blick mit Leichtigkeit so lange standhalten würde, wie sie ihn damit zu bedenken gedachte.
    „Ich werde ihr einen Brief schreiben, in dem ich die Notwendigkeit andeute, den Anstand zu wahren“, erbot sie sich schließlich. „Wenn Mirabel sich dann entschließen sollte, mich einzuladen, werde ich nach Oldridge Hall gehen. Aber es ist völlig ausgeschlossen, dass ich mich selbst einlade.“
    „Was für ein Unsinn!“, brauste der Captain auf. „Ich lade Sie ein.“
    „Oldridge Hall ist aber nicht Ihr Zuhause, wenngleich Sie dort recht selbstverständlich ein und aus zu gehen scheinen.“ „Ach, was sind Sie doch bloß für eine Pedantin geworden!“, meinte er ungehalten. „War das Entwhistles Einfluss? Sie waren einst so fröhlich. Und Miss Oldridge ebenso - als Sie noch bei ihr waren. Sie waren genau das, was das Mädchen brauchte. Das habe ich schon immer gesagt. Aber dann ... Mir war das gleich aufgefallen, jedes Mal, wenn ich von See zurückkehrte. Schon beim ersten Mal, kurz nachdem Mrs. Oldridge gestorben war, habe ich den Unterschied bemerkt.“
    Mrs. Entwhistle sprang auf, und ihre Rüschen flatterten. „Ich wünschte, ich könnte auch bei Ihnen einen Unterschied bemerken!“, rief sie. „Sie sind noch immer so einfältig wie eh und je. Mirabel ist einunddreißig Jahre alt. Ein gut aussehender junger Mann ist ihr praktisch in den Schoß gefallen - und Sie sorgen sich um ihre Tugend! Was ist denn mit ihrem Glück?“ Einen Moment lang war der Captain so verdutzt, dass er gänzlich seine guten Manieren vergaß. Und so erhob er sich mit ein wenig Verspätung, bevor er auch wieder zu Worten fand. „Ich muss schon sagen, Flora - ich meine natürlich Mrs. Entwhistle ... versuchen Sie womöglich, ein wenig zu kuppeln?“ Sie hob entschlossen ihr Kinn mit dem kleinen Grübchen. „Ich würde eher sagen, dass ich der Natur ermöglichen möchte, ihren Lauf zu nehmen.“
    „Meiner Erfahrung nach ist auf die Natur aber kein Verlass“, gab der Captain daraufhin zu bedenken. „Denn wenn dem so wäre, bräuchten Schiffe schließlich keine Ruder und keine Segel, nicht wahr?“
    Der Captain sorgte sich nicht zu Unrecht über rufschädigendes Gerede, denn Miss Oldridge hatte Feinde.
    In einem Tal gut zwanzig Meilen entfernt, am anderen Ende von Longledge Hill, verbrachte Caleb Finch seinen Sonntag damit, die Dorfbewohner zu ermutigen, das Allerschlechteste von Miss Oldridge zu denken.
    Er war vor einigen Tagen aus Northumberland gekommen. Der angebliche Grund seiner Reise war, dass er Misswirtschaft in den Kohlegruben Lord Gordmors, seines Dienstherrn, witterte. Caleb war wahrlich dazu berufen, derlei zu beurteilen, denn er verstand sich selbst vortrefflich auf allerlei Schikanen, Intrigen, Betrügereien und falsche Spielchen. Der eigentliche Zweck seiner Rückkehr nach Longledge Hill bestand jedoch darin, Miss Oldridge das Leben schwer zu machen.
    Den Gottesdienst hatte er auch deshalb besucht, weil er die Anwohner mit seiner Frömmigkeit beeindrucken wollte, vor allem aber, weil sich ihm hier die Gelegenheit bot, unter der größtmöglichen Anzahl von Menschen mit dem geringstmöglichen Aufwand Unfrieden zu stiften. Mit seinem schlichten schwarzen Anzug, der ihm um den großen, hageren Körper schlotterte, und dem spärlichen, ergrauenden Haar, das er streng zurückgekämmt trug, machte er von außen einen sauberen und anständigen Eindruck, und er war davon überzeugt, innerlich ebenso rein und unbescholten zu

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