Ein unverschaemt charmanter Getleman
hervor, „aber so ist es nun einmal. Ich mag kaum glauben, eine Frau von einunddreißig Jahren noch über den Ernst des Lebens aufklären zu müssen. Männer sind Tiere, Miss Oldridge. Es könnte sich als sehr unklug erweisen, gewisse Dinge uns zu überlassen. Soeben hatten wir ja ein recht anschauliches Beispiel. Denn ich war entschlossen - sehr entschieden entschlossen, möchte ich betonen -, Ihren Reizen gegenüber taub, stumm und blind zu bleiben.“
„Meinen Rei...“
„Ich bin wegen einer wichtigen Geschäftsangelegenheit hier“, fuhr er fort. „Die wichtigste meines Lebens. Sie können nicht einmal erahnen, wie viel davon abhängt. Und doch dient jede Begegnung mit Ihnen nur dazu, mich den Anlass meines Aufenthaltes mehr und mehr vergessen zu machen. Das kann so nicht weitergehen. Ich darf mich nicht weiter von Ihnen verwirren lassen - ganz gleich, wie sehr ich mir das wünsche.“
„Ganz gleich, wie sehr Sie sich das ...“
„Wenn Sie in meiner Nähe sind, vergesse ich sofort, weswegen ich eigentlich hier bin und wie viel von dem Gelingen des Vorhabens abhängt“, verdeutlichte er. „Je länger ich mit Ihnen unter einem Dach bin, desto verwirrter werde ich. Ich kann es kaum fassen, dass ich heute gar so weit gegangen bin, Ihnen nachzustellen. Wenn ich noch länger bleibe, werde ich gänzlich den Kopf verlieren - und Ihr Ruf wird ruiniert sein.“ Wenn er bliebe? Mirabels lustvoll berauschter Verstand wurde augenblicklich klar. „Sie erwägen doch nicht ernstlich abzureisen“, sagte sie. „Ich bin mir sicher, dass Dr. Woodfrey dazu noch nicht seine Erlaubnis erteilt hat.“
Jetzt erst bemerkte sie den Gehstock, der vernachlässigt auf dem Boden lag. „Oh, wie konnte ich nur Ihren Knöchel vergessen!“, rief sie erschrocken. „Sie dürfen ihn noch nicht belasten.“ Ganz gewiss durfte er keine Frau hochheben, die dazu nicht unbedingt federleicht war. Wenn sein Knöchel nicht gut verheilte, wäre das ihre Schuld. „Ich hätte bedenken sollen Er bückte sich nach seinem Stock. „Ich bitte Sie, sich nicht noch eine weitere Verantwortung aufzubürden“, unterbrach er sie. „Sie haben derer bereits mehr als genug, wohingegen ich zu wenige habe. Ich möchte meinen, dass ich mich zumindest der Herausforderung stellen sollte, für mich selbst verantwortlich zu sein - wenn schon für sonst nichts.“ Er humpelte an den Schreibtisch und nahm eine Handvoll Haarnadeln auf. „Hier ... lassen Sie mich etwas Nützliches tun. Es dürfte das Gerede unter den Dienstboten ein wenig dämpfen, wenn Sie beim Verlassen des Zimmers nicht ganz so aussehen, als ob Ihr Hausgast Sie soeben verführt hätte."
Wohl wissend, dass er von hier fortmüsse, bevor seine begrenzte Willenskraft ihn ganz verließe, hielt Alistair sich nicht lange mit Miss Oldridges Haar auf. Dann eilte er, entgegen ihren Einwänden, zurück in sein Zimmer und wies Crewe an zu packen.
Crewe widersprach nicht. Er gab nur kurz ein trauriges Hüsteln von sich und setzte eine stoische Miene auf. Dies war seine Art zu sagen: „Sie machen einen Fehler - einen tragisch schweren Fehler.“
Alistair schenkte ihm keine Beachtung.
Es war allerdings unmöglich, Captain Hughes keine Beachtung zu schenken, der wenig später gänzlich ungebeten hereinmarschiert kam und forsch verkündete, dass Mr. Carsington von nun an bei ihm wohnen werde.
Alistair dankte ihm und lehnte das Angebot höflich ab.
„Ich rate Ihnen sehr, das noch einmal zu bedenken“, sagte der Captain. „Wenn Sie in Wilkerson’s Hotel zurückkehren, wird Miss Oldridge ganz krank vor Sorge sein.“
„Es gibt keinen Anlass zur Sorge“, versicherte ihm Alistair. „Ich bedarf einfach nur der Ruhe, und die finde ich in meinem Hotel ebenso gut wie hier.“ Er hatte begründete Zweifel, dass er in Miss Oldridges Nähe jemals Ruhe fände. Wäre nicht der Kanal, würde er stehenden Fußes nach London zurückkehren.
„Miss Oldridges Sorge gilt Crewe“, ließ Captain Hughes ihn wissen. „Sie meint, er wache die ganze Nacht hindurch an Ihrem Bett und sei Ihnen zudem den ganzen Tag über zu Diensten. Im Hotel wird er keine Hilfe finden, denn dort gibt es nur wenige Dienstboten, und die haben bereits alle Hände voll zu tun. Außerdem würde Crewe noch ein strenges Auge auf Wilkersons Köchin haben müssen, denn ob sie jene leichten Mahlzeiten zuzubereiten vermag, die Dr. Woodfrey Ihnen verordnet hat, ist mehr als fraglich. Kurzum, Miss Oldridge lässt ausrichten, dass Sie doch bitte an
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