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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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das Haus zu und sah, dass sein Vater noch in der Tür stand, von wo aus er gerufen hatte.
    »Wo bleibst du denn?«
    »Ich komme ja schon.«
    Als er die Tür erreichte, machte Andreas auf dem Absatz kehrt und ging ins Haus. Sören Christer folgte ihm, aber dann kam Madeleine von der Treppe angerannt und fuhr ihn an.
    »Aber Sören Christer, der Boden ist frisch geputzt!«
    Sie zeigte auf seine Schuhe.
    »Oh.«
    »Jetzt muss Frau Hoas hier noch einmal putzen. Warum tust du das? Du musst auch mal ein bisschen nachdenken.«
    »Aber sie sind nicht schmutzig.«
    Erst zeigte sie auf die Spuren, die er hinterlassen hatte, dann gab sie ihm mit einer Geste zu verstehen, dass er gehen sollte. Er zog die Schuhe aus und stellte sie auf die Veranda. Er fand, dass die Spuren kaum zu sehen waren, und wie konnte sie überhaupt wissen, dass es seine waren?
    Er betrat das Arbeitszimmer seines Vaters und setzte sich vor dem großen, eichenen Schreibtisch. Ein Blick auf seinen Vater genügte, um zu wissen, dass ihm ein unangenehmes Gespräch bevorstand. Er sah, dass sich die Nasenlöcher seines Vaters Besorgnis erregend blähten, und außerdem roch er nach Schweiß, was er nur tat, wenn er krank oder wütend war.
    Schon als kleiner Junge hatte sich Sören Christer oft anhören müssen, was für ein begabtes Kind er war. Trotzdem wollte es ihm nie gelingen, beliebt zu sein, weder bei Gleichaltrigen noch bei den Erwachsenen. Die anderen Kinder fanden ihn gemein und die Erwachsenen faul. Vor allem die Lehrer, die sich ständig über ihn beschwerten und nie zufrieden waren.
    Eigentlich hätte er in der Schule gut mitkommen können, trotzdem musste er fast jede Klasse wiederholen. Außerdem erhielt er immer wieder Tadel, meistens, weil er gelogen oder sich geweigert hatte, eine Aufgabe zu machen. Er selbst fand, dass sie es immer auf ihn abgesehen zu haben schienen. Warum, wusste er auch nicht. Er mochte sie jedenfalls nicht, vor allem die Lehrer nicht. Bei seinen Altersgenossen war es komplizierter, er wünschte sich oft, sie verstehen zu können. Wenn er nett zu ihnen war, schienen sie ihm das nicht abzukaufen, und wenn er wütend auf sie wurde, flohen sie, um ihn zu verpetzen und schlecht zu machen. Dann kamen die Lehrer und die Erwachsenen, um ihn zu bestrafen. Sie wollten ihn stets bestrafen, ohne sich seine Version des Vorgefallenen anzuhören.
    So war es schon immer gewesen. Glimpflich davongekommen war er nur, wenn er sie anlog, wenn er so tat, als würde er sie verstehen, und in allem mitmachte. Aber das fand er auf Dauer ermüdend. Es war wie ein Spiel, dessen Witz alle außer ihm verstanden. Außerdem waren sie hässlich, die Erwachsenen wie auch seine Altersgenossen. Ja, wirklich, dachte er, hässlich. Mit gelblichen Zähnen und laufenden Nasen. Sie stanken nach Achselschweiß und ranzigem Schweinefett, als würden sie sich niemals waschen.
    Er fand es unfassbar, dass es erwachsene Menschen offenbar völlig akzeptabel fanden, ihre Körperhygiene zu vernachlässigen. Sich nicht zu waschen, das empfand er als wahre Faulheit. Stattdessen warfen sie ihm vor, faul zu sein.
    Als er nun vor dem Schreibtisch seines Vaters saß, erkannte er den Gesichtsausdruck wieder. Es war die Miene, die sein Vater immer dann aufsetzte, wenn er wütend war. Aber er hatte doch gar nichts getan, nur ein bisschen mit den Bäumen gespielt. Das konnte ja wohl kein Grund sein, ihn zu bestrafen?
    Er setzte sich locker hin, wurde aber sofort aufgefordert, gerade zu sitzen. Jetzt war ihm endgültig klar, dass sein Vater aufgebracht war. Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Was hatte Andreas so wütend gemacht? Ging es darum, dass er vergessen hatte, seine Schuhe auszuziehen? Nein, das konnte es nicht sein, das war doch gerade erst passiert, nachdem sein Vater ihn ins Haus gerufen hatte. In rasendem Tempo ging er alles durch, was im Tagesverlauf geschehen war, fand jedoch keinen Grund dafür, dass sein Vater so verbissen aussah.
    Schließlich räusperte sich Andreas und legte mehrere Blätter auf den Schreibtisch. Er saß eine Weile über sie gebeugt, als wollte er sie sortieren. Dann blickte er auf und sagte langsam:
    »Ich habe hier das Gutachten von Alfred Petrén.«
    »Von wem?«
    »Er zeichnet verantwortlich für die Untersuchungen, die auf unseren Wunsch hin bei dir durchgeführt wurden. Du erinnerst dich sicher an ihn.«
    »Nein.«
    Andreas setzte die Lesebrille ab, klappte sie zusammen und legte sie neben den Blätterstapel. Er rieb sich die

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