Ein unversoehnliches Herz
Anus getrieben wurde, bekam er einen Samenerguss nach dem anderen, und unmittelbar bevor ihm endlich schwarz vor Augen wurde, glaubte er kurz, Poul im Türrahmen stehen zu sehen.
Lieber Bruder …
Es wird eine lange Nacht werden, das weißt du bereits. Resigniert gehst du zur Kanne, gießt etwas Wasser in die Schüssel und spritzt es dir ins Gesicht. In dem kleinen Spiegel darüber siehst du dein Gesicht, wendest dich jedoch ab. Stattdessen musterst du deine schmalen, knochigen Hände.
Du weißt, dass deine Faszination für den Körper immer der Selbstverachtung nahe gestanden hat, wie bei allen, die kränklich und ängstlich aufgewachsen sind. Die Fixierung auf den Körper wird zu einem Teil des Alltags, was sich ein Erwachsener mit gesund und munter verbrachter Kindheit nicht vorstellen kann.
Du gehörst zu den drahtigen Überlebenden, nicht zu den wabbeligen und korpulenten, den Wohlgenährten, den Menschen, die überhaupt kein Verhältnis zu ihrem Körper haben. Die keine Ahnung zu haben scheinen, warum man tagaus, tagein denselben Körper mit sich herumschleppt. Für dich beginnt jeder Tag mit einer unverzichtbaren Begutachtung. Sogar das Innere muss untersucht werden: Kündigen sich Kopfschmerzen an, drückt etwas an den Nieren, was ist mit den Lymphdrüsen, sind sie nicht ein bisschen geschwollen?
In diesem Stil machst du weiter.
Das Einzige, denkst du, was alles zusammenhält, ist die Haut. Jeder Riss in der Haut ist eine Gefahr und droht alles unter ihr Verborgene hervorquellen zu lassen. Die Haut muss heil bleiben, dieses Tor zum Inneren darf keinen Spaltbreit geöffnet werden.
Du weißt noch, wie du nach der Lektüre von Der Graf von Monte Christo in den Wald gegangen bist – wie alt magst du damals gewesen sein, neun, zehn, oder vielleicht schon elf? –, um eine der Szenen im Buch nachzuspielen. Du stachst mit deinem kleinen Schnitzmesser auf einen Baumstamm ein, und die Klinge glitt über die ganze Hand. Du spürtest den Schmerz, ließt das Messer los, drehtest die Hand um und glaubtest im ersten Moment zu sehen, dass sie unverletzt war. Dann aber quoll das Blut aus dünnen Schnitten in den Fingern, und du wärst beinahe in Ohnmacht gefallen, liefst weinend nach Hause und stolpertest durch Brennnesseln und Unterholz.
Als du schreiend angerannt kamst, saß unsere Mutter im Lesesessel. Sie stand so abrupt auf, dass ihr Buch mit einem lauten Knall zu Boden fiel. Du ranntest zu ihr, spürtest zähflüssigen Rotz die Kehle hinablaufen, dessen salzigen Geschmack, und dass du endlich in Sicherheit warst. Im Wald dachtest du, du würdest das Bewusstsein verlieren und zusammenbrechen, und spürtest alles Blut aus der Wunde pulsieren, und dass die anderen dich erst gegen Abend vermissen und einen Suchtrupp zusammenstellen würden, aber da wäre schon alles zu spät gewesen. Stattdessen hätten sie dich tot zwischen den Wurzeln gefunden, den verstreut liegenden Zapfen, den Fichtennadeln, und hoch über allem der rotierende blaue Himmel.
Alles wäre vergebens gewesen! So jung und schon tot – und für niemanden von Nutzen, kein ehrenvoller Tod. Bloß ein simples Missgeschick, ein Kinderstreich und sonst nichts.
Doch nun war die Rettung nah. Du schlangst deine Arme um Mutter, presstest dein Gesicht an ihren Bauch. Versuchtest zu erzählen, was passiert war, aber die Worte blieben dir in der Kehle stecken, du brachtest keinen vernünftigen Satz heraus. Speichel und große, starrende Augen. Dann stieß sie dich von sich, gab dir eine Ohrfeige und sagte, du solltest aufhören, so hysterisch zu sein. Du hieltst die Hand hoch, zeigtest sie wie beim Arzt, versuchtest die Zähne zusammenzubeißen und die Tränen zu ersticken, und sie musterte die Hand und rief nach dem Kindermädchen.
Während die Wunde gesäubert wurde, hörtest du unaufhörlich Mutters Stimme als anklagende Litanei. Sie beschimpfte das Kindermädchen, das dich nicht im Auge behalten hatte, zeterte, weil du entgegen ihrer ausdrücklichen Anweisungen unbeaufsichtigt ein Messer benutzt hattest, und warf dir vor, dass du wegen einer lächerlichen Wunde hysterisch geworden warst.
Woher hast du das Messer? Antworte! Und dann das schluchzende Wimmern, das keiner verstand. Das Lallen, das Angst und Scham dir in die Kehle pressten.
Es endete damit, dass sie einfach ging.
Erst gegen Abend sahst du sie wieder. Das Kindermädchen, das dich ebenfalls schief ansah, weil du sie in Schwierigkeiten gebracht hattest, versetzte dir später, als es keiner
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