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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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als wäre sie an dem Ort verlassen worden, den sie Madeleine gerade beschrieben hatte.
    »Hätte er in dem Moment um meine Hand angehalten, hätte ich Ja gesagt und wäre ihm bis ans Ende der Welt gefolgt. Stattdessen sagte er jedoch etwas, worüber ich später oft nachgedacht habe. Er sagte: Nach diesem Tag wird nichts Besseres kommen. Das Leben wird uns niemals einen größeren Augenblick schenken können als diesen. Ich verstummte. Wenn ich nur gewusst hätte …«
    Sie versuchte zu lächeln, aber es kam eher eine Grimasse heraus.
    »Wie albern!«, sagte sie. »Hier zu sitzen und jetzt, tausend Jahre später, wegen so etwas zu flennen.«
    Madeleine strich ihr sanft über die Wange. Sie sahen sich tief in die Augen. Alles um sie herum, das Essen, der Wein, die Wohnung, eng oder nicht, existierte nicht mehr.
    Madeleines zarte Liebkosung war eine Aufforderung, weiterzuerzählen. Was sie auch tat, nun allerdings wesentlich langsamer, nachdenklicher, als wüsste sie selbst nicht recht, was sie eigentlich sagen sollte.
    »Er erzählte mir so grauenvolle Dinge über seine Kindheit. Wie einsam er sein Leben lang gewesen war. Es kam mir wie ein unerhörtes Geheimnis vor, was er mir dort anvertraute. Wir saßen wie in einer Idylle auf diesem Bootssteg, auch wenn es dunkel geworden war und langsam kalt wurde. Aber es war ihm sehr wichtig, dass ich nicht glaubte, er wäre wie die anderen leichtsinnigen jungen Männer. So wie ich ihn mir vorgestellt hatte, als ich ihn kurz nach seiner Heimkehr aus Paris mit dem Spazierstock gesehen hatte. Immer wieder kam er darauf zurück, dass er das Gefühl hatte, für seine Mutter ein Fremder zu sein. Später verstand ich natürlich, was er meinte. Sie kann kühl, fast abweisend wirken, im Gegensatz zu Sören, dem Vater, den man einfach nur in die Arme schließen möchte. Weißt du, dass wir noch in Kontakt stehen? Ich hoffe, du hast nichts dagegen, Madeleine?«
    »Warum sollte ich? Ehrlich gesagt bin ich ihm noch nicht begegnet. Auch seiner Mutter nicht.«
    »Oh, du musst ihn von mir grüßen, wenn du ihn siehst. Ich hätte ihm schon vor Wochen schreiben sollen, aber der Umzug nach Rom hat mich so in Anspruch genommen. Ich darf wirklich nicht vergessen, ihm einen Gruß zu schicken. Würde es dich stören, wenn ich erwähne, dass wir uns gesehen haben? Er freut sich bestimmt wahnsinnig darauf, dich kennenzulernen.«
    »Ich weiß nicht, ob Andreas ihm schon von mir erzählt hat. Oder seiner Mutter. Ich glaube, dass er …«
    »Oh nein, wir reden jetzt nicht mehr über Andreas«, unterbrach Amelie sie und stand auf. Sie begann, fieberhaft Bücher wegzuräumen, die noch nicht an ihrem Platz standen. Madeleine blieb sitzen und sah Amelie Staub von den Büchern pusten und sie willkürlich abstellen. Kurz darauf war das kleine Bücherregal gefüllt und ebenso viele Bücher lagen noch in der Kiste. Amelie seufzte und wandte sich Madeleine zu.
    »Na, jedenfalls lernte Andreas meine Mutter damals nicht kennen. Es war zu spät geworden, und wir mussten um eine Mitfahrgelegenheit nach Hause betteln. Mutter hätte mich am liebsten erwürgt! Aber sie begriff schon bald, dass meine Gefühle für Andreas tiefer waren als alles, was ich je zuvor erlebt hatte. Es interessierte sie natürlich, aus welchen Familienverhältnissen er stammte. Die Sache war mir so peinlich, ich wusste doch nichts, musste beinahe etwas erfinden. Ich sagte, seine Familie stamme aus Dänemark und er habe einen Magisterabschluss und an der Sorbonne studiert, obwohl ich nicht genau wusste, welches Fach. Andreas erzählte mir auf dem Heimweg, dass er Schriftsteller werden wollte. Ich fand, das klang unheimlich spannend! Aber, sagte er als Nächstes, wenn man stattdessen früh heiratet, kann man natürlich auch eine akademische Karriere anstreben und Jura studieren. Das hörte sich für mich ehrlich gesagt weit weniger interessant an, aber selbst damals musste ich selbstverständlich zugeben, dass es möglicherweise realistischer war. Anschließend sprachen wir über Kinder, er wollte eine große Familie haben. Ich widersetzte mich: O nein, mein Lieber, ich habe nicht vor, eine kleinbürgerliche Hausfrau zu werden. Das Ganze war wie ein Spiel. Ich konnte damals doch nicht ahnen, was er alles durchgemacht hatte, ich meine, dass er schon ein Kind hatte. Ein Kind, das er nie gesehen hatte. In Wahrheit wussten wir wohl beide, dass eine Umkehr nicht mehr möglich war. Wir würden zusammen leben. Wir würden heiraten! Oh, Madeleine, es

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