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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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Sie blieb stehen, als hätte sie das Gleichgewicht verloren. Dann griff sie nach Madeleines Arm. Es geschah völlig unerwartet, fand Madeleine … so verzweifelt … sie packte den Arm wirklich sehr fest.
    » Ich …«
    »Amelie, was ist passiert?«
    »Ich habe nicht an Sören Christer gedacht.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich habe überhaupt nicht an ihn gedacht. Seit ich hier bin, nicht mehr. Ich habe …«
    Sie brach in Tränen aus. Madeleine legte die Hände um Amelies Kopf und brachte sie dazu, sich auf den Bürgersteig zu setzen, um sich zu sammeln. Madeleine wusste nicht, was sie tun sollte, die Sache kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Amelie war untröstlich, und ihre Nase lief, als sie mit Verzweiflung in der Stimme sprach.
    »Ich habe nicht eine Sekunde an ihn gedacht. Ich bin es nicht wert zu leben. Ich bin eine kranke Mutter, krank!«
    Ebenso unvermittelt, wie es begann, hörte es auf. Amelie sah Madeleine mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Es ist leichter, seine Mutter durch eine Krankheit zu verlieren, als zu wissen, dass man ihr egal ist.«
    Ihre Tränen waren wie weggeblasen. Nun sprach sie mit eiskalter Stimme und schien in erster Linie wütend zu sein. Sie streckte den Hals, stand blitzschnell auf und ging, nun jedoch mit wesentlich schnelleren Schritten als zuvor, weiter.
    Madeleine eilte mit ihrem verletzten Fuß hinterher, fiel jedoch ein gutes Stück zurück.
    Sie rief.
    »Amelie, warum rennst du denn so?«
    »Als ob dich das interessieren würde!«
    Madeleine blieb stehen. Sie sah Amelie mit ihrem rollenden Gang den Hang hinaufsteigen, schnell, schnell, schnell, ihre Arme pendelten heftig.
    Madeleine blickte auf, als im selben Moment der letzte Zipfel Sonne hinter dem Turm der Pilgerkirche verschwand. Als sie die Augen wieder dem Anstieg zuwandte, hatte Amelie bereits die Kuppe überquert und war außer Sichtweite.

Lieber Bruder …
    Die Erinnerung an das Gemälde narrt dich noch immer. Außerdem taucht ständig dieser Name wieder auf, d’Espérance, die Hoffnung .
    Obwohl es nicht der Name – oder vielmehr Künstlername – eines Mädchens auf dem Gemälde eines relativ unbekannten französischen Künstlers ist, sondern der eines britischen Mediums, das in Göteborg zu Besuch war. Das Gerücht hatte sich bereits bis zu dir herumgesprochen, noch ehe du ihr zum ersten Mal begegnet warst, und du konntest deine Augen nicht von ihr lassen, so sehr du es auch versuchtest. Es hieß, sie wäre von einem Kamerablitz entlarvt worden, auf dem entwickelten Foto könnte man sehen, wie sie eine Puppe installierte, die einen Geist verkörpern sollte.
    Aber diese schäbigen technischen Beweise überzeugten dich nicht. Du sagtest, sie wäre von einem Konkurrenten hereingelegt worden, vermutlich, weil sie im Gegensatz zu anderen Glücksrittern kein Geld annahm. So machte man sich in der florierenden Geistersuchergemeinde natürlich keine Freunde.
    Die Details um ihre Person sind in diesem Moment ein wenig unklar. Im Grenzland zwischen Traum und Wirklichkeit, in dem du dich gerade befindest, lockt dich eher ihr Gesicht als die Beschwörung von Geistern. Die zusammengepressten Lippen, die hohen Wangenknochen, der finstere Blick, der dir durch Mark und Bein zu gehen schien, obwohl er stets hinter einem schwarzen Schleier verborgen blieb. Und ihr Körper mit der schlanken Taille, der gleichsam durch den Raum wehte, als berührte er niemals den Boden.
    Sie schien sich an mehreren Orten gleichzeitig aufzuhalten. Und dein Freund Keiler, der selbst ein hervorragender Hypnotiseur war, sagte das Gleiche: Es lässt sich in ihrer Gesellschaft nicht mit Sicherheit sagen, wo Wahrheit und Lüge, Wirklichkeit und Traumland beginnen, enden oder einander begegnen. Gerüchten zufolge hatte sie Gehilfen, die sich in dunklen Anzügen durch den Raum bewegten. Das glaubtest du zu keinem Zeitpunkt, damals so wenig wie heute. Du hättest es sofort gemerkt, wenn d’Espérances Körper gegen einen anderen ausgetauscht worden wäre. So einzigartig war sie, sagtest du. Doch das erklärt nicht, warum du dich so zu ihr hingezogen fühlst. Du, der du sie nie berührt, sie nicht einmal gegrüßt hast.
    Großer Gott, das ist dreißig Jahre her! Das ist doch vollkommen unlogisch!
    Das geht dir durch den Kopf. Und dann dieses nagende Gefühl: Warst du nur einer unter vielen Suchenden, warst du genauso unkritisch und ängstlich wie sie?
    Du schließt die Augen, und das Bild von d’Espérance wird deutlicher. Sie steht mit einem stark

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