Ein unversoehnliches Herz
dunkel werden und hörte als fernes Geräusch, dass das Feuer im Kamin noch nicht erloschen war und eine stille Wärme abstrahlte, die ihn beruhigte.
Es sollte ohnehin nicht sein, lass es brennen, brennen …
Er schloss die Augen, spürte jedoch, dass ihn jemand rüttelte. Wieder der Spalt, durch den er vage ein Gesicht wahrnahm.
Aufhören! , wollte er sagen, lass mich einfach hier liegen, nur noch ein bisschen , trotzdem wurde er immer weiter und immer heftiger gerüttelt.
Er spannte den ganzen Körper an und spürte eine ungeahnte Kraft aus seiner Magengrube aufsteigen. Es gelang ihm, seine Augen ein klein wenig mehr zu öffnen, und er brüllte:
»Hure! Du bist eine verdammte Hure!«
Die Antwort bestand aus weiterem Rütteln, und er spürte zudem, dass sie ihm eine Ohrfeige gab.
»Verschwinde!«, schrie er daraufhin aus vollem Hals.
Und die Hand wurde von ihm genommen.
Aber damit gab er sich nicht zufrieden und spürte die Wut anrollen:
»Du bist eine Hure! Du bist es nicht einmal wert, dass man auf dich pisst!«
Und dann spürte er es endlich wärmer und still werden.
Ja, jetzt hörte er das Feuer wieder knistern.
Es war so schön, endlich nichts mehr vorgaukeln zu müssen.
Lass sie glauben und hoffen, was spielt das schon für eine Rolle.
In diesem Moment wollte er einfach nur dort liegen und spüren, wie er wegdämmerte. Es war so schwindelerregend schön zu spüren, dass sich der Körper entspannte, wenn er sich nicht mehr darum kümmern musste zu atmen.
Lieber Bruder …
Du sitzt da und bist zufrieden mit der Arbeit an deiner Skulptur. Drei Wochen lang hast du an ihr gearbeitet, jetzt nimmt sie endlich Gestalt an, findet die richtige Balance. Wenn man an einer Skulptur arbeitet, denkst du, strebt man immer ein Gleichgewicht an; so einfach und gleichzeitig so schwer zu erreichen. Das unterscheidet in deinen Augen den Profi vom Amateur. Andere würden vielleicht vom Blick sprechen: gelegentlich ein Attribut zu verzerren, um seine Natürlichkeit herauszuarbeiten, und gelegentlich eine originalgetreue Abbildung anzustreben, um die gleiche Natürlichkeit zu erreichen. Fällt dieser Blick weg, kann das Kunstwerk nie etwas anderes sein als eine simple Nachahmung der Wirklichkeit ohne einen Wert an sich.
Gedanken dieser Art gehen dir durch den Kopf, wenn du dein Tagwerk beendest. Du trittst einen Schritt zurück, um die Skulptur zu begutachten, die den Kreislauf des Lebens darstellt, drehst den Kopf ein wenig und kneifst ein Auge zu, um die Perspektive eine Nuance zu verändern.
Vor ein paar Jahren hast du in Vårstavi mit Kandinsky über diese Balance zwischen Wirklichkeit und künstlerischer Abbildung gesprochen. Er erzählte dir, dass er schon dreißig war, als eine Vision ihm deutlich machte, dass er Künstler werden sollte. Es war geschehen, als er einen von Monets Heuhaufen sah. Schlagartig war ihm klar geworden, dass Farben und Komposition ein Leben schenkten, das weitaus lebendiger war als eine exakte Abbildung.
Als du innerlich seiner Betrachtung lauschst, nickst du noch einmal. Dann schaust du aus dem Fenster. Für die Wahrheit gilt das Gleiche, überlegst du. Manchmal muss sie verzerrt werden, um ihrem Kern näher zu kommen, und manchmal muss sie ganz korrekt abgebildet werden. Hier ist der gleiche Blick erforderlich, was jahrelange Detailstudien erforderlich macht. Hier starrt der Laie kurzsichtig auf die falschen Einzelheiten und umkreist sie, ohne dadurch einer Erkenntnis näher zu kommen.
Nun tauchen jedoch auch die unerbittlichen Fragen auf.
Du grübelst darüber nach, warum ich dich nicht lieben konnte, warum ich deine Liebe, deine ausgestreckte Hand, nicht annahm. Du wirst es nie verstehen, und das macht mich sehr traurig, da ich dich vor dieser Statue sitzen sehe, die jene Liebe beschreiben soll, die alles überwindet.
Du stellst die Frage. Das ist alles. Anschließend schaust du aus dem Fenster und siehst dort die Bäume kahl, mit winterlich flehenden, gen Himmel gestreckten Händen stehen.
Wieder einmal muss ich erkennen, dass du nur bis zu dem Punkt kommst, die Frage zu stellen und wie eine Waffe auf mich zu richten.
Wenn du wüsstest, wie oft ich bezweifelt habe, dass du jemals mit einer Frau geschlafen hast. Als du jung warst, hat es dich offenbar nicht interessiert. Du schienst der Meinung zu sein, über solch niederen Trieben zu stehen. Dann hast du Gunhild kennengelernt und bist ihr mit Sicherheit immer treu gewesen.
Aber trotzdem. Sie war schon krank, als ihr euch
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