Ein unversoehnliches Herz
begegnet seid, und hatte drei erwachsene Kinder. Der Fortbestand der Familie war gesichert, aber wohl kaum das andere, die Geborgenheit und Wärme, die sie verloren hatte, als ihr Gatte starb.
Auftritt Poul Bjerre.
Etwas an der Art, mit der du Gunhild seit jeher angefasst hast, hat meine Zweifel am Leben erhalten. Du berührst sie, wie man etwas Schönes berührt, eine Skulptur, die man sehr schätzt und die einen unweigerlich fasziniert. Für mich ist es immer wichtig gewesen, das genaue Gegenteil zu fühlen: das Fleischliche, Verschwitzte.
Hast du das jemals gefühlt, Poul? Wie es ist, eine verschwitzte Frau an sich zu pressen und zu spüren, dass sie nach roher Sexualität riecht und es in deinem ganzen Körper pocht und dein Schwanz zustoßen will wie der eines Tiers? Oder wie du zu Boden gezwungen und erniedrigt wirst, die Augen schließt und es geschehen lässt, wie jeder Teil von dir unterwürfig wird und dazu erschaffen ist, unterdrückt zu werden? Oh, der Geruch, der in diesem Zustand verströmt wird, ließ mich am ganzen Leib zittern, es spielte keine Rolle, wo ich mich gerade befand. Manchmal musste ich die Toilette aufsuchen, um mir einen herunterzuholen. Hast du jemals so empfunden? Ein Gefühl gehabt, das so weit von dieser porzellanwürdevollen Liebkosung entfernt ist? Deine Geilheit, Bruder, was machst du mit ihr?
Es gab Momente, in denen sich mein Körper jeglicher Kontrolle entzog, in denen die Gedanken in mir so donnerten, dass ich die Hände um meinen Kopf legen musste, damit er nicht explodierte.
Einmal folgte ich Amelie zwei Tage, ohne dass sie etwas davon ahnte. Ich habe es ihr nie erzählt. Jeden ihrer Schritte überwachte ich und versteckte mich hinter Häuserecken und saß hinter einer Tageszeitung verborgen auf einer Parkbank. Ich war krank vor Sorge, dass sie sich mit einem Mann treffen könnte, um mich zu betrügen. Ich war krank vor Sorge, dass sie sich mit jemandem treffen könnte, der schlecht über mich reden würde.
Schließlich traf sie sich tatsächlich heimlich mit jemandem. Heimlich, weil sie mir nicht davon erzählt hatte, obwohl ich sie am Morgen gefragt hatte, ob sie verabredet sei. Sie hatte den Kopf geschüttelt. Danach ging ich zur Arbeit, jedenfalls glaubte sie das. Stattdessen verließ ich das Haus, stellte mich auf die gegenüberliegende Straßenseite und harrte dort aus. Ich musste nicht lange warten. Nur zehn Minuten später trat sie aus der Tür und eilte im Laufschritt davon, als wäre sie spät dran.
Ich folgte ihr, bis sie eine Konditorei betrat. Daraufhin blieb ich eine Weile draußen stehen und überlegte, ob ich versuchen sollte, unbemerkt einzutreten. Aber ich beschloss, im Freien zu warten. Eine unerträgliche Stunde lang stand ich nur da und stellte mir vor, mit wem sie sich traf, mit wem sie mich betrog.
Am Ende kam sie wieder heraus. Allein. Sie wirkte traurig, das war nicht zu übersehen. Ich beschloss, noch ein paar Minuten zu warten, um zu sehen, ob die Person, mit der sie sich getroffen hatte, ebenfalls herauskam. Kurz darauf tratst du auf die Straße. Du sahst nicht traurig aus, im Gegenteil. Du schienst wütend zu sein.
Ich habe mich oft gefragt, worüber ihr euch dort unterhalten habt. Über mich? Wahrscheinlich. Amelie wollte offensichtlich nicht, dass ich etwas davon erfuhr, sonst hätte sie mir von eurem Treffen erzählt, als ich sie beim Frühstück fragte.
Als ich sie wiedersah, wollte ich sie ausfragen, ihr fast mit Folter drohen. Aber ich sagte nichts. In gewisser Weise fühlte ich mich ertappt. Es geschah nur einen Monat, nachdem ich zum ersten Mal mit Madeleine geschlafen hatte.
Sie strich mit einem Finger über seinen nackten Arm,
sie tat es zerstreut, weder zärtlich noch verspielt.
Stockholm, 23. Januar 1914
Andreas schlug die Augen auf, kreiste aber noch eine Minute aus der Tiefe des Schlafs ins Bewusstsein hinauf. Anfangs wusste er nicht, wo er war, sah nur die Decke. Dann hörte er von der Straße ein vertrautes Quietschen.
Die Autowerkstatt, dachte er.
Als er den Kopf ein wenig zur Seite drehte, sah er denn auch erwartungsgemäß, dass er zu Hause war, im eigenen Bett lag. Aber es lastete ein Druck auf seiner Stirn, der allerdings nicht schmerzte, es war vielmehr, als hätte ihm jemand fünf dicke Bücher auf den Kopf gelegt, um ihn an seinem Platz zu halten.
Er hüstelte, räusperte sich.
Seine Kehle war so ausgedörrt, als hätte er längere Zeit nicht gesprochen. Er musste sauer aufstoßen, was er schon kannte.
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