Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
aber das Blau stand ihr. Ihre Mutter wusste weder von dem Kleid noch von ihrem Vorhaben, in Begleitung ihrer Zofe auszugehen. Warum auch, dachte Vivian. Schließlich war sie eine verlobte Frau, und als solcher standen ihr gewisse Freiheiten zu.
Außerdem wollte sie nur eine Freundin besuchen.
Lillian, frisch verheiratet mit Lord Damien Northfield, war zum Glück zu Hause und umarmte die unerwartete Besucherin herzlich. »Viv, ich freue mich ja so, dich zu sehen. Wollen wir uns in den Garten setzen? Dafür müsste es eigentlich warm genug sein.«
Eine gute Freundin war nicht mit Gold aufzuwiegen, dachte Vivian. »Gerne. Für mich ist es ja selten zu kalt, wie du weißt.«
Lily hakte sich bei ihr unter und führte sie hinaus. »Genau, wenn eine geknickte Rose wieder angebunden werden muss oder ein bisschen Laub deine Aufmerksamkeit verlangt, bist du sofort draußen, ohne dich um Wind und Wetter zu scheren«, meinte sie trocken.
»Da bin ich nicht die Einzige«, wandte Vivian ein. »Wir sind immerhin in England, wo Gärten geradezu überlebenswichtig sind. Und in meinen Augen ist das Hobby absolut vernünftig.«
»Das ist es durchaus.« Lily lachte. Sie war mit ihren dunkelbraunen Haaren und den blauen Augen eine echte Schönheit und hatte letzten Herbst den jüngeren Bruder des Dukes of Rolthven geheiratet. Und das, obwohl man bei ihr ebenfalls bereits vermutete, sie würde als alte Jungfer enden, weil sie einmal im Mittelpunkt eines gesellschaftlichen Eklats gestanden hatte.
»Du brauchst dich nicht zu verteidigen. Ich finde es wunderbar, dass du nicht nur über Stickereien oder die neuste Hutmode reden möchtest. Bei solchen Nichtigkeiten schüttelt es mich immer.«
Schon wieder Hüte. So ein langweiliges Thema.
»Charles ist durchgebrannt.« Vivian wollte damit eigentlich nicht so unvermittelt herausplatzen, aber sie musste die Neuigkeit einfach loswerden. »Mit einer anderen.«
Ihre Freundin blieb stehen und starrte sie einen Moment lang ungläubig an. »Was? Wie konnte er dir das bloß antun? Ihr seid doch erst seit Kurzem verlobt.«
Vivian zuckte mit den Schultern. »Er war ehrlich zu mir, und er liebt die junge Dame, die inzwischen vermutlich seine Frau ist, über alle Maßen. Und weil ich nicht mit jemandem verheiratet sein wollte, der sich ständig nach einer anderen verzehrt, habe ich ihn dazu ermutigt, mit ihr durchzubrennen. Außerdem war die Verlobung ja gar nicht unsere Idee.«
Sie gingen zu einer kleinen steinernen Bank, die in der Sonne stand. Lily setzte sich, als müsse sie die Schreckensnachricht erst verdauen. Ihr modisches Musselinkleid bauschte sich um ihre Knie.
»Verstehe ich das richtig … Du bist ganz und gar nicht am Boden zerstört?«
»Deshalb jedenfalls nicht.« Vivian nahm ebenfalls Platz und richtete ihren Blick auf ein Beet mit Frühblühern. Dass sie die lavendelblauen Blüten jedoch lediglich abwesend betrachtete, verriet einiges über ihren inneren Aufruhr. »Es kam zu einer … wie soll ich sagen … unvorhergesehenen Komplikation, mit der ich so nicht gerechnet hatte.«
»Welcher Art?«
Vivian wandte der Freundin ihr Gesicht zu und lächelte kläglich. »Das wirst du nicht glauben.«
»Du verhältst dich merkwürdig und sprichst in Rätseln.« Lily zog die Brauen zusammen. »Lass mich rekapitulieren. Du wirst also nicht heiraten. Deine Mutter dürfte schrecklich enttäuscht sein und …«
»Meine Mutter ist sogar hocherfreut.«
Lily blinzelte verwirrt.
Nachdenklich betrachtete Vivian ihre Schuhspitzen. »Jetzt bin ich mit Lucien Caverleigh verlobt. Dem Marquess of Stockton, der eines Tages der dritte Duke of Sanford sein wird.«
Als ihre Freundin nichts auf diese sensationelle Ankündigung erwiderte, blickte sie auf. Lily starrte sie mit offenem Mund an, und Vivian konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
»Ja, genau. Dein Gesichtsausdruck spiegelt ungefähr meine eigene Reaktion wider, als man mir diese neue Option mitteilte.«
Lily hatte sich wieder gefasst. »Stockton ist … Also, ich muss schon sagen, er … Also …«
»Er steht in dem Ruf, ein weltgewandter Mann mit gepflegten Manieren zu sein, ist ernsthaft, jedoch geistreich und bisweilen witzig … und vor allem ist er das, was man einen richtig guten Fang nennt«, halfVivian nach.
»Also, ja. In der Tat. Viv, das kannst du eigentlich nicht ernst meinen. Ich meine es bestimmt nicht böse, aber du bist für ihn kaum die passende Ehefrau.«
Das stimmte. Lucien Caverleigh brauchte im Grunde ein
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