Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
Bei ihm als nachgeborenem Sohn hätte man das weniger wichtig genommen, bei dem designierten Nachfolger des Dukes sehr wohl. Ein notorischer Blaustrumpf und selbst ernanntes Mauerblümchen als Duchess?
Charles hingegen fand das ganz in Ordnung. Und mit einem Mal erinnerte er sich an mehr als ein Gespräch mit seinem älteren Bruder, in dem Lucien Vivians Namen ins Spiel brachte. Und stets ging es indirekt um die Frage, welcher Natur ihre Freundschaft sei. Er hatte sich darüber gewundert, weil der Bruder in puncto Liebschaften sehr verschwiegen war. Nicht nur was seine eigenen betraf … Er interessierte sich auch nicht für die von Charles. Bloß nach Vivian fragte er immer wieder. Ohne Konkretes zu erfahren, denn ihm selbst hatte es Spaß gemacht, geheimnisvoll zu tun. Wie ein Gentleman, der genießt und schweigt.
Warum erkannte er damals nicht, was hinter Luciens Interesse steckte? Bestimmt hätte er ihm die Wahrheit gesagt und ihm freie Hand bei Vivian gegeben. So aber musste er warten, und als sich ihm die Gelegenheit bot, verschwendete er keine Zeit. Lucien hatte seinen Arsch also nicht ganz selbstlos gerettet, dachte Charles spöttisch.
Jetzt konnte er nur hoffen, dass Vivian mit dem Arrangement zufrieden war. Vermutlich hatte man ihr keine große Wahl gelassen. Für ihre ehrgeizige Mutter wäre es sicher nicht infrage gekommen, den Antrag eines Marquess abzulehnen. Und was, wenn sie kreuzunglücklich war und Lucien eigentlich nicht heiraten wollte?
Er musste mit ihr reden, und zwar bald. Nachdem sie sein Glück über das eigene gestellt hatte, durfte sie zumindest erwarten, dass er ihr jetzt ebenfalls beistand. Obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, was er für sie tun konnte.
»Das sind ja interessante Neuigkeiten«, murmelte er ziemlich hilflos.
Kapitel 9
Ein imposanter Eingang. Eine lange Treppe, festlich herausgeputzte Gäste, ein großes Orchester …
So ziemlich das Letzte, was sie wollte.
Und das Kleid … Nun, das war, wie Vivian zugeben musste, zweifellos ein Erfolg. Der smaragdgrüne Stoff passte perfekt zur Farbe ihrer Augen, und der Ausschnitt war so großzügig wie bei keinem ihrer Kleider bisher und brachte ihre körperlichen Vorzüge in gewünschter Weise zur Geltung.
Die Duchess of Eddington hatte ganze Arbeit geleistet … und Lucien vermutlich ein stolzes Sümmchen hingelegt, damit das Kleid in so kurzer Zeit fertig wurde.
Ihr Verlobter war mehr als zufrieden mit ihrem Aussehen und führte sie gewandt in den großen Saal, nachdem ein Lakai sie angekündigt hatte. Seine Hand umschloss fest und sicher ihren Ellbogen, und dieses Gefühl brauchte sie auch. Anders als Lucien, der ganz ruhig und fast ein wenig gelangweilt wirkte, war Vivian schrecklich nervös. Diese typisch aristokratische Gelassenheit würde sie sich noch aneignen müssen. Wenn sie es überhaupt jemals schaffte, ihre Abneigung gegen solche Menschenansammlungen und neugierige Blicke zu überwinden.
»Ich muss gestehen, das hier ist nicht unbedingt nach meinem Geschmack.«
»Das habe ich mir bereits gedacht«, meinte er belustigt. »Da du jetzt unter den Fittichen einer eindeutig furchteinflößenden, resoluten und unbeugsamen Dame stehst, wirst du ohne jeden Zweifel über Nacht sehr gefragt sein. Darauf versteht sie sich. Und das Kleid … Vermutlich hättest du etwas Unauffälligeres gewählt, aber lass dir von mir als einem deiner Bewunderer sagen, dass du darin umwerfend aussiehst.«
Sie errötete leicht bei seinen Worten, denn an Komplimente musste sie sich ebenfalls erst gewöhnen. »Wann habt ihr zwei euch denn bitte schön verbündet, um mir das Leben schwer zu machen?«
Er lachte, und ihr fiel auf, wie vertraut ihr sein leicht heiseres Timbre bereits war. Er beugte sich zu ihr hinüber. »Es gab keine Absprachen, das musst du mir glauben. Sie kam zu mir und stellte mich vor vollendete Tatsachen. Ich würde ihre Hilfe brauchen, denn sie allein könne aus dir eine Marquioness von Format machen. Ich habe gehofft, du würdest mir vergeben. Und bitte denk daran, dass du mir auch vorher gefallen hast.«
Schon merkwürdig, überlegte Vivian, wie wohl sie sich in seiner Gegenwart fühlte. Nicht bei einem der unzähligen Männer, die sie in den vergangenen vier Jahren kennengelernt hatte, war das der Fall gewesen. Allerdings schien er auch rein gar nichts mit diesen eitlen, kriecherischen Gecken gemein zu haben, die sich in den Salons tummelten. Und genauso wenig mit den kalt berechnenden Typen, denen es
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