Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
Schultern. »Stimmt, es ist übertrieben groß. Meine Vorfahren glaubten wohl an Größe. Doch wenn man es genau nimmt, Liebling, ist es nur ein Haus.«
Sie lachte, wenngleich es bloß ein schüchterner, erstickter Laut war. »Nein, Charles. Das Pfarrhaus mit seinen sechs Zimmern und dem kleinen Garten ist ein Haus. Das hier ist etwas völlig anderes. Zwar sind wir jetzt Mann und Frau, aber das ändert nichts daran, dass du der Sohn eines Dukes bist und ich nichts anderes bin als ein Mädchen vom Land.«
»Darf ich wenigstens einwenden, dass du belesener bist als so manche kokette junge Lady aus Londons exklusiven Kreisen?«
Charles’Worte entsprachen der Wahrheit, denn Louisa verfügte über eine für Mädchen nicht unbedingt übliche Bildung. Darauf hatte der Vater geachtet, bei Louisa ebenso wie bei ihren beiden Schwestern.
Aber alle Bildung und Wortgewandtheit nutzten ihr nichts, als sie unvermittelt vor dem herzoglichen Butler stand, der fast schon so ehrfurchtgebietend wirkte wie sein Herr. Louisa verstummte. War es bloß Einbildung, oder zögerte der Mann tatsächliche einen kurzen Moment, ehe er beiseitetrat und den Weg in die Eingangshalle freigab?
»Lord Charles.«
»Mandrake, das ist meine Frau Louisa.«
»Es ist mir ein Vergnügen, Madam.« Alterslos bis auf die deutlich ergrauten Haare und beängstigend korrekt, neigte der Butler den Kopf.
Da sie kaum neunzehn war, empfand sie diese förmliche Anrede als unpassend und reagierte verwirrt. »Ich … nun. Danke.«
Zusätzlich verschlug ihr der Anblick, der sich bot, die Sprache. Es war einfach überwältigend. Die gewölbte Decke wurde von Säulen gestützt, die entlang einer Reihe schier endloser Türen einen Korridor flankierten. Der Boden bestand aus poliertem Marmor, der in einem kunstvollen Mosaikmuster verlegt war. Die Fresken an den Wänden zeigten Szenen aus der Mythologie. Athene zum Beispiel, die auf dem Rücken eines Pferdes den Bogen spannte, und ganz in der Nähe Poseidon, der mit seinem Dreizack den Wellen des Meeres entstieg.
»Mein Apartment befindet sich im linken Flügel.« Ihr Mann fasste sie am Ellbogen. »Gehen wir erst mal dorthin. Danach werde ich meinen Vater aufsuchen.«
»Seine Gnaden ist zu dieser Tageszeit im Gewächshaus«, erklärte Mandrake.
»Natürlich«, erwiderte Charles. »Wie konnte ich das vergessen.« Seine Stimme klang leicht amüsiert.
»Soll ich ihm mitteilen, dass Ihr eingetroffen seid?«
»Was ist denn besser … das Überraschungsmoment auf meiner Seite zu haben oder mich lieber anmelden zu lassen?«, fragte Charles belustigt. »Sie kennen meinen Vater länger als ich. Zu welchem Vorgehen würden Sie mir unter den gegebenen Umständen raten?«
Der Butler dachte einen Augenblick nach, ehe er erwiderte: »Ich denke, ich würde ihn an Eurer Stelle überraschen, Mylord.«
Louisa konnte nur erahnen, was diese Empfehlung bedeutete. Es schien durchaus nicht ganz sicher, dass der Duke seinen Sohn empfing.
»Also gut.« Charles wirkte gänzlich unbeeindruckt. »Ich respektiere Ihre Meinung und werde ihm in wenigen Minuten meine Aufwartung machen.«
»Siehst du«, sagte Louisa leise tadelnd, während er sie zu der geschwungenen Doppeltreppe geleitete, die zu den Familienapartments führte. »Er wird mich verabscheuen.«
»Wenn er überhaupt jemanden in dieser Situation verabscheut, dann eher mich. Mein Vater kann sehr unerbittlich sein, aber er ist gerecht. Dich kennt er nicht, Lou, und deshalb würde er nie behaupten, dich nicht zu mögen. Außerdem ist das Schlimmste an der ganzen Angelegenheit die geplatzte Verlobung mit Vivian. Folglich wird sich sein heiliger Zorn allein auf mich richten.«
Vielleicht hatte er recht, was allerdings kaum ihre Besorgnis linderte. Mit der Liebe war es jedenfalls nicht so einfach, wie idealistische Poeten das gerne besangen. Sie schwärmten bloß von der Romantik und vergaßen die damit verbundenen Komplikationen.
In ihrem Fall hatten die Komplikationen sogar Namen: der Duke of Sanford,Vivian Lacrosse und ihr Vater.
Charles’ Suite bestand aus einem Salon, einem Ankleidezimmer und einem großen Schlafgemach, dessen Fenster auf die Gärten gingen. Eine Verbindungstür führte zu einem etwas kleineren Raum, den Louisa, falls sie es wollte, später als eigenes Zimmer einrichten konnte. Vorerst zog sie es jedoch vor, so nahe wie möglich bei Charles zu sein.
Sie fühlte sich in diesem Haus ohnehin ganz klein und verloren.
Was ebenfalls an ihrer Garderobe lag, die
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