Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
Verlobte bereits weggeführt. Unterwegs winkte er einen Lakai heran, der mit Getränken herumging, und nahm sich einen Brandy.
»Mir scheint, nach diesem Zusammenstoß brauche ich den. Wollen wir nach draußen gehen, während sie allen erzählt, warum wir das tun? Ich warne dich … du musst jetzt eine ungewöhnliche und seltene Blüte finden, die du bewundernd anstarren kannst.«
Dass sie über seine Worte lachte, freute ihn. Jede andere Frau hätte sich durch Catherines direkte Art und ihre Anspielung auf eine frühere Beziehung beleidigt gefühlt. Nicht so Vivian. Ihr Lachen klang echt, hell und erfrischend, und Lucien empfand eine tiefe Dankbarkeit, eine Frau wie sie gefunden zu haben.
»Etwas anstarren klingt nicht sehr damenhaft, Mylord. Aber ich werde wenigstens so tun. Was nehme ich denn nur? Eine Petunie? Ein Gänseblümchen? Vielleicht gibt es ja ein besonders faszinierendes Moos auf einem Stein. Damit kämen wir auf jeden Fall durch. Weil keiner der Anwesenden auch nur die geringste Ahnung hat, werden die Leute alles glauben, was ich ihnen erzähle.«
»Du bist eine erstaunlich einfallsreiche Lady, Miss Lacrosse.«
Eigentlich war sie in jeder Hinsicht erstaunlich, fand er. Am liebsten hätte er ihr gestanden, was er dachte und fühlte, doch er wollte nichts überstürzen, ihr Zeit lassen. Empfindungen und Vertrauen mussten wachsen, auf beiden Seiten. Liebe sollte nie einseitig sein. Er wusste nicht, wie es um sie stand. Er jedenfalls fand sie nicht nur intellektuell faszinierend, sondern begehrte sie mit allen Fasern seines Körpers.
Er wünschte sich so sehr, dass es ihr ebenso erging, dass sie ihn wollte.
»Weißt du, man wird erfinderisch, wenn man häufig Ausreden sucht, um größere Menschenansammlungen zu meiden«, erklärte sie und zuckte mit den Schultern.
Mehr und mehr merkte er, wie schrecklich die vergangenen Jahre für sie gewesen sein mussten und wie sehr sie gelitten hatte, aber darauf wollte er nicht eingehen. »Mir ist es auch lieber, wenn nicht so viel los ist«, sagte er deshalb bloß.
»Und warum sind wir dann hier?«
Eine berechtigte Frage.
» Das ist vermutlich unser Zugeständnis an die Konventionen.« Er geleitete sie durch die offenen Fenstertüren auf die Terrasse, von der sich ein herrlicher Blick über die Gärten bot. Wobei er allerdings lieber den eleganten Schwung ihres Halses bewunderte. »Unser ganzes Leben lang erzählt man uns, was wir zu tun haben. Und damit meine ich nicht nur unsere Kreise. Das ist in bürgerlichen und selbst in bäuerlichen Familien ähnlich. Für uns sind die Bälle der Heiratsmarkt, woanders dienen Messen und Volksfeste diesem Zweck. Und auch ansonsten wird vorgegeben, wie man sich verhalten muss. Immer ganz der jeweiligen Herkunft entsprechend.«
»Siehst du, da sind mir die Pflanzen lieber.« Sie blieb an der Balustrade stehen und schaute in die dunklen Gärten. »Sie sind für mich … lebendige Dinge und dennoch friedlich. Obwohl sie zugegebenermaßen teilweise miteinander kämpfen. Einige wachsen und vermehren sich rasend schnell, um andere zu verdrängen, andere klettern und klammern sich an ihre Wirtspflanzen, bis diese ersticken. Wieder andere haben Dornen und sind giftig. Wusstest du, dass es in der Wildnis Südamerikas eine Pflanze geben soll, die einen ekelerregenden Gestank nach Verwesung verströmt, um Insekten in ihre Blüten zu locken und sie dort zu verschlingen?«
Lucien lächelte. Das war zwar nicht unbedingt ein Gesprächsthema, das als Ausgangsbasis für einen kleinen Flirt taugte, doch ihre Begeisterung fand er einfach amüsant. »Ich glaube, davon habe ich noch nie gehört, nein. Du bist eindeutig sehr viel belesener als ich.«
»Das alles ist wirklich faszinierend.«
Ja, das fand er ebenfalls. Allerdings nicht in Bezug auf Killerpflanzen, sondern auf sie. Und er hoffte, dass sie bei der Liebe die gleiche Leidenschaft an den Tag legte wie bei der Diskussion botanischer Themen. Wenn das so sein sollte, würde er sich sehr glücklich schätzen dürfen.
»Wollen wir ein bisschen durch den Garten promenieren? Wir sollten zumindest so tun, als suchten wir diese eine bestimmte, so seltene Pflanze.«
»Eine sehr gute Idee, Mylord.«
»Das denke ich auch«, murmelte er. Vor allem deshalb, weil er auf diese Weise mit ihr allein auf dunklen Pfaden wandeln konnte, aber solche Hintergedanken schienen ihr fremd zu sein. Vermutlich war sie dafür einfach zu unschuldig und zu unerfahren. Ob ihr überhaupt in den Sinn kam,
Weitere Kostenlose Bücher