Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
dieses Gespräch mit einem Friedensrichter führen. Der Vikar hat dich als einen lasterhaften Lebemann und bösen Verführer beschimpft. Ich habe dich verteidigt, obwohl ich nicht wirklich sicher bin, ob du das verdienst.«
Charles erkannte, dass in dieser Bemerkung unausgesprochen eine Frage mitschwang. »Nein, ich habe sie nicht vor unserer Eheschließung angerührt. Und natürlich war sie gewillt, mit mir zu gehen.« Charles, den der schwere Erdgeruch erdrückte, fächerte sich mit der Hand Luft zu. »Frag sie selbst. Sie ist oben und wie versteinert vor Furcht. Weil du sie nicht für mich ausgewählt hast und weil sie nicht standesgemäß ist.«
»Falls du damit auf deine Verlobung mit Vivian anspielst, solltest du bedenken, dass ihr Vater und ich lediglich einen Vorschlag gemacht haben. Du bist zu nichts gezwungen worden. Wir dachten einfach, es würde passen, wo ihr euch so gut versteht. Ich bezweifle allerdings, ob sie nach wie vor so große Stücke auf dich hält. Aber zum Glück ist sie durch und durch eine Lady und scheint deinen Verrat mit Fassung zu tragen.«
Charles verkniff sich den Einwand, dass beide Väter ganz schön auf ihre Sprösslinge eingeredet hatten, um ihnen diese Heirat schmackhaft zu machen. Ob sie hätten Nein sagen können, hatte allerdings keiner von ihnen ausprobiert. Vielmehr gelangten sie irgendwann zu der Überzeugung, dass dieser Plan angesichts ihrer langjährigen Freundschaft keine schlechte Idee und absolut nicht abwegig war. Charles hatte sogar inzwischen unabhängig vom Vater kurzfristig mit dem Gedanken gespielt, ihr diesen Vorschlag zu unterbreiten, weil er ihr diese elende Brautschau in den Londoner Ballsälen ersparen wollte. Und hätte er Louisa nicht getroffen und sich Hals über Kopf in sie verliebt, würden sie wahrscheinlich ein zufriedenes, harmonisches Ehepaar abgegeben haben.
Und jetzt stand er Vivian im Wort, ihr Mitwirken an den Fluchtplänen nicht zu verraten. Das bedeutete, dass er sich nicht richtig verteidigen und den Vorwurf zurückweisen konnte, sie verraten zu haben. Alles sähe anders aus, wenn der Duke wüsste, dass sie sogar die treibende Kraft gewesen war.
Also erklärte er nur so ruhig wie möglich: »Vertrau mir, ich werde die Sache mit Viv in Ordnung bringen. Wir haben im Verlauf unserer langen Freundschaft schon so manche Klippe gemeistert. Außerdem ist es ja nicht so, als hätte ich ihr das Herz gebrochen. Unsere Gefühle füreinander waren nie romantischer Natur. Wenn es eines gibt, was ich absolut sicher weiß: Sie will mich glücklich sehen. Ich hoffe, dasselbe kann ich von dir behaupten.«
Sein Vater riss sich die Gartenhandschuhe von den Händen, als er zu husten begann, und zerrte ein Taschentuch aus der Tasche, das er sich vor den Mund hielt. Als er wieder sprechen konnte, klang seine Stimme kratzig. »Machbarkeit und romantische Gefühle vertragen sich nicht immer, Charles. Ich bin noch unentschlossen, welche Konsequenzen ich aus deinem Verhalten ziehe. Zu deinem Glück ist Lucien in die Bresche gesprungen, um uns vor den größten Peinlichkeiten zu bewahren. Insofern ist mir trotz meiner anhaltenden Verärgerung eine große Last von der Seele genommen. Zumindest meine Freundschaft zu Sir Edwin geht unbeschadet aus der Sache hervor.«
Charles hätte seinem Vater gerne noch so allerlei gesagt hinsichtlich drohender Konsequenzen einerseits und der Unwiderruflichkeit seiner Ehe andererseits, aber die letzten Sätze brachten ihn völlig aus dem Konzept.
Worauf zum Teufel spielte sein Vater da an?
»Ich glaube, ich verstehe nicht ganz. Inwiefern ist Lucien bei Sir Edwin in die Bresche gesprungen?«
Sein Vater nickte heftig. »Er und Vivian werden in zwei Wochen heiraten. Die Verlobung wurde inzwischen offiziell verkündet, und der Hochzeitstermin steht fest.«
Es dauerte einen Moment, bis Charles begriff. Dann empfand er plötzlich so etwas wie Eifersucht. Nicht weil er sie als Frau wollte, sondern weil er seine Freundin mit niemandem zu teilen wünschte. Er hatte sich früher schon des Öfteren gefragt, wie es sich wohl anfühlte, wenn sie einmal heiratete.
Jetzt wusste er es.
Trotzdem war er nicht sonderlich überrascht über diese Entwicklung. Warum nicht Lucien? Irgendwie ergab das einen Sinn. Mit zweiunddreißig war es für ihn höchste Zeit, in den Hafen der Ehe einzulaufen und für Erben zu sorgen, die den erlauchten Namen weiterreichen konnten. Allerdings würde er mit seiner Wahl die Gesellschaft ganz schön schockieren.
Weitere Kostenlose Bücher