Ein Vampir für alle Fälle
entsetzlichen Nacht in dem verlassenen Industriepark in Shreveport vergessen. Aber langsam hatte ich den Eindruck, dass es doch zu etwas Gutem geführt hatte.
Als ich nach Hause zurückkam, sah ich Octavia und Amelia vor dem Haus harken. Ach, wie wunderbar. Ich hasse nichts auf der Welt so sehr wie Harken. Doch wenn ich mich nicht ein-, zweimal im Herbst dazu durchringe, bleiben auf dem Grundstück wahre Berge von Kiefernnadeln liegen.
Ich bedankte mich heute schon den ganzen Tag bei allen möglichen Leuten, und wie's aussah, war ich damit noch nicht fertig. Nachdem ich das Auto hinter dem Haus geparkt hatte, ging ich wieder nach vorne.
»Füllst du das Zeug in Säcke oder verbrennst du es?«, rief Amelia.
»Oh, ich verbrenne es, wenn nicht gerade ein Feuerverbot herrscht«, sagte ich. »Es ist unglaublich lieb von euch beiden, dass ihr mir diese Arbeit abnehmt.« Ich wollte gar nicht so überschwänglich daherkommen - aber wenn einem die lästigste aller Pflichten abgenommen wird, ist das schon ein echtes Vergnügen.
»Ich brauche Bewegung«, erklärte Octavia. »Gestern waren wir zum Einkaufen in Monroe, da bin ich auch schon ein wenig gelaufen.«
Amelia behandelte Octavia inzwischen eher wie eine Großmutter als wie eine Lehrerin, das war jedenfalls mein Eindruck.
»Hat Tray angerufen?«, fragte ich sie.
»Ja, klar.« Amelia lächelte über das ganze Gesicht.
»Er findet, dass du richtig fein aussiehst.«
Octavia lachte. »Amelia, du bist eine Femme fatale.«
Amelia wirkte glücklich. »Er ist ein interessanter Typ, finde ich.«
»Etwas älter als du«, sagte ich, nur damit sie es wusste.
Amelia zuckte die Achseln. »Das ist mir egal. Ich gehe gern mit ihm aus. Pam und ich sind doch eher Freundinnen als Geliebte, glaube ich. Und seit ich das mit dem Wurf junger Katzen herausgefunden habe, bin ich auch wieder offen für andere Männer.«
»Glaubst du wirklich, Bob hatte da eine Wahl? War das nicht eher so was wie... wie Instinkt?«, fragte ich.
Und just in diesem Augenblick kam der fragliche Kater angelaufen, um nachzusehen, warum wir alle hier draußen standen, wo es im Haus doch ein wunderbar bequemes Sofa und mehrere kuschelige Betten gab.
Octavia stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ach, zum Teufel«, murmelte sie, richtete sich kerzengerade auf und streckte die Hand aus. » Potestas mea te in formam veram tuam commutabit natura ips reaffirmet Incantationes praeviae deletae sunt «, sagte sie.
Der Kater blinzelte Octavia an und gab dann einen höchst sonderbaren Laut von sich, eine Art Kreischen, wie ich es nie zuvor aus dem Maul einer Katze gehört hatte. Und auf einmal war die Luft um den Kater neblig und dicht und diffus und voller Funken. Der Kater kreischte noch einmal. Amelia starrte das Tier mit weit aufgerissenem Mund an. Octavia blickte resigniert und ein wenig traurig drein.
Der Kater drehte und wand sich auf dem verblichenen Rasen, und plötzlich war ein menschliches Bein zu sehen.
»Großer Gott!«, rief ich und schlug die Hand vor den Mund.
Jetzt hatte er schon zwei Beine, zwei behaarte Beine, dann einen Penis, und dann wandelte sich sein ganzer Körper zu einem Mann, während er unentwegt kreischte. Und zwei entsetzliche Minuten später lag der Zauberer Bob Jessup zwar zitternd, aber wieder als vollständiger Mensch in meinem Garten. Nach einer weiteren Minute stellte er das Kreischen ein und zuckte nur noch. Auch nicht viel schöner, aber immerhin eine Entlastung für unser Trommelfell.
Und schon war Bob aufgesprungen und stürmte entschlossen auf Amelia zu, um sie zu erwürgen.
Ich packte ihn an den Schultern und versuchte, ihn von ihr wegzuziehen. Octavia sagte nur: »Sie wollen doch nicht, dass ich Sie gleich wieder verhexe, junger Mann?«
Das erwies sich als äußerst wirksame Drohung. Bob ließ sofort von Amelia ab und stand keuchend in der Kälte. »Ich fasse es nicht, dass du mir das angetan hast!«, rief er. »Ich fasse es nicht, dass ich die letzten Monate ein Kater war!«
»Wie geht es Ihnen?«, fragte ich. »Sind Sie geschwächt? Sollen wir Ihnen ins Haus helfen? Möchten Sie vielleicht etwas anziehen?«
Unbestimmt sah er an sich herunter. Er hatte schon eine Weile keine Kleidung mehr getragen, doch plötzlich wurde er rot, wirklich über und über rot. »Ja«, sagte er verlegen. »Ja, ich möchte etwas anziehen.«
»Kommen Sie.« Die Abenddämmerung brach bereits herein, als ich Bob ins Haus führte. Bob war ein schmaler Mann, und eine meiner Jogginghosen
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