Ein Vampir für alle Fälle
weiß. Sam hat dann Ihr Auto in meine Werkstatt rausgefahren, und ich bin hinter ihm her. Wir haben's zusammen auf die Hebebühne geschafft und mal 'nen Blick drauf geworfen.«
Eine ganz schön lange Rede für Dawson. Ich steckte mein Scheckbuch wieder in die Handtasche, hörte zu und fragte wortlos, indem ich auf sein Glas zeigte, ob er noch eine Coke wolle. Er schüttelte den Kopf, ehe er fortfuhr. »Wir mussten 'n paar Teile wieder befestigen und den Behälter für die Scheibenwischerflüssigkeit austauschen. Ich wusste zufällig, bei welchem Rusty's Salvage sie Ersatzteile für solche Autos wie Ihrs haben, und ratzfatz war's fertig.«
Ich bedankte mich noch einmal bei ihm, dann fuhr ich Dawson raus zu seiner Reparaturwerkstatt. Seit ich das letzte Mal hier vorbeigekommen war, hatte er den Rasen vor seinem Haus gemäht. Es war ein bescheidenes, aber schön gepflegtes Holzhaus, gleich neben der großen Werkstatt, vor der sonst immer die verschiedensten Motorradeinzelteile verstreut herumgelegen hatten. Die hatte Dawson anscheinend alle irgendwo anders verstaut, und auch sein Pick-up war frisch gewaschen.
Bevor Dawson ausstieg, sagte ich: »Ich bin Ihnen so dankbar, dass Sie meinen Wagen repariert haben, obwohl Autos gar nicht Ihr Spezialgebiet sind.«
»Nun, ich hab's gern getan«, erwiderte Dawson und hielt kurz inne. »Aber wenn's Ihnen nichts ausmacht, hätte ich nichts dagegen, wenn Sie bei Ihrer Freundin Amelia ein gutes Wort für mich einlegen.«
»Ich habe leider keinen großen Einfluss auf Amelia«, erwiderte ich. »Aber ich werde ihr sehr gern sagen, was für ein feiner Kerl Sie sind.«
Er lächelte über das ganze Gesicht. So freudig hatte ich Dawson, glaube ich, noch nie erlebt. »Sie sieht richtig fein aus«, sagte er, und da ich keine Ahnung hatte, nach welchen Kriterien Dawson sich eine Frau aussuchte, war dies doch schon mal ein Hinweis.
»Rufen Sie sie an, ich lege ein Wort für Sie ein«, versicherte ich ihm.
»Abgemacht.«
So waren wir beide glücklich, als wir uns verabschiedeten, und Dawson ging beschwingt über den aufgeräumten Vorplatz in seine Werkstatt. Ich wusste nicht, ob Amelia etwas für Dawson übrighatte, aber ich würde mein Bestes tun und ihr zureden, ihm doch wenigstens eine Chance zu geben.
Auf dem Heimweg lauschte ich auf irgendwelche seltsamen Geräusche des Autos, doch es lief tadellos.
Amelia und Octavia kamen gerade nach Hause, als ich zur Arbeit aufbrach.
»Wie geht's dir?«, fragte Amelia mit einem wissenden Unterton.
»Prima«, sagte ich automatisch. Dann erst begriff ich, dass sie glaubte, ich wäre gestern Abend gar nicht nach Hause gekommen. Sie dachte, ich hätte mich mit jemandem amüsiert. »Hey, du erinnerst dich doch noch an Tray Dawson, oder? Du bist ihm in Maria-Stars Apartment begegnet.«
»Sicher.«
»Er wird dich anrufen. Sei nett zu ihm.«
Sie lächelte hinter mir her, als ich in mein Auto stieg.
Und endlich einmal war es langweilig und völlig normal auf der Arbeit. Terry Bellefleur stand hinter dem Tresen, weil Sam an Sonntagnachmittagen nicht gern arbeitete. Es war ein ruhiger Tag im Merlotte's. Wir machten spät auf am Sonntag und wir schlossen früh, so dass ich um sieben schon wieder nach Hause fahren konnte. Niemand tauchte auf dem Parkplatz auf, und ich konnte direkt in mein Auto steigen, ohne in ein langes seltsames Gespräch verwickelt oder angegriffen zu werden.
Am nächsten Vormittag hatte ich einiges in der Stadt zu erledigen. Ich hatte kaum noch Bargeld, also fuhr ich zum Bankautomaten und winkte auf dem Weg Tara Thornton du Rhone zu. Tara winkte lächelnd zurück. Die Ehe bekam ihr, und ich hoffte, JB und sie waren sehr viel glücklicher als mein Bruder und seine Ehefrau. Als ich die Bank wieder verließ, sah ich zu meiner Überraschung Alcide Herveaux aus der Kanzlei des altehrwürdigen Rechtsanwalts Sid Matt Lancaster herauskommen und fuhr auf den Parkplatz der Kanzlei. Alcide kam zu meinem Auto herüber.
Wäre ich nur weitergefahren, dachte ich, vielleicht hatte Alcide mich gar nicht gesehen.
Das Gespräch würde sicher schwierig werden. Aber ich sollte fair bleiben, Alcide hatte mit einer ganzen Menge zu kämpfen gehabt. Seine Freundin war brutal ermordet worden, viele andere Rudelmitglieder waren ebenfalls tot, und er hatte eine riesige Vertuschungsaktion arrangieren müssen. Aber jetzt war er Leitwolf, und er hatte seinen Sieg auf ganz traditionelle Weise gefeiert. Rückblickend war es ihm vermutlich ziemlich peinlich,
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