Ein Vampir für alle Fälle
aussah, was er gesagt hatte, dass ich eine ganze Familiengeschichte besaß, die ich nicht gekannt hatte. Es würde noch eine Zeit lang dauern, bis ich die Handlungsweise meiner Großmutter begreifen und sich mein Bild von ihr im Licht der neuen Fakten geändert haben würde. Und ich musste noch einmal über die unschönen Erinnerungen an meine Mutter nachdenken. Sie war meinem Vater in Liebe verfallen und hatte Kinder bekommen, weil sie ihn liebte ... nur um festzustellen, dass sie ihn nicht mit diesen Kindern teilen wollte, vor allem nicht mit mir, einem anderen weiblichen Wesen. Zumindest war das meine neueste Erkenntnis.
»Es gab auch noch anderes Zeug zum Essen«, sagte ich schließlich gähnend. Es war schon sehr spät. »Aber ich muss jetzt ins Bett. Hat irgendwer für mich angerufen?«
»Dieser Werwolf aus Shreveport wollte dich sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass du ausgegangen bist und er es bei dir auf dem Handy versuchen soll. Er fragte, ob er dich irgendwo treffen könnte. Aber ich wusste ja nicht mal, wo du warst, und das habe ich ihm auch gesagt.«
»Alcide. Was der wohl wollte?« Ach, den konnte ich auch morgen noch zurückrufen.
»Und eine junge Frau. Sie sagte, sie habe schon mal als Kellnerin im Merlotte's gearbeitet und habe dich gestern auf der Hochzeit getroffen.«
»Tanya?«
»Ja, so hieß sie.«
»Was wollte die denn?«
»Weiß ich nicht. Sie sagte, sie ruft noch mal an oder trifft dich im Merlotte's.«
»Mist. Hoffentlich hat Sam sie nicht als Aushilfe oder so was eingestellt.«
»Ich dachte, ich bin die Aushilfe.«
»Ja, aber vielleicht hat jemand gekündigt. Ich warne dich, Sam mag sie.«
»Und du nicht?«
»Sie ist ein heimtückisches Miststück.«
»Oh Mann, ehrlich?«
»Kein Scherz, Amelia. Tanya hat den Job im Merlotte's damals nur angenommen, um mich für die Pelts auszuspionieren.«
»Ach, die ist das. Na, die spioniert dich nicht wieder aus. Dafür werde ich schon sorgen.«
Diese Aussicht schreckte mich allerdings noch mehr als eine Zusammenarbeit mit Tanya. Amelia war eine machtvolle und fachkundige Hexe, nicht dass ich falsch verstanden werde, aber sie neigte leider dazu, ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Siehe Bob.
»Sprich so was bitte erst mit mir ab«, bat ich. Amelia wirkte überrascht.
»Ja klar«, sagte sie. »So, und jetzt ab ins Bett.«
Sie stieg mit Bob im Arm die Treppe hinauf, und ich ging in mein kleines Bad, um mich abzuschminken und mein Nachthemd anzuziehen. Amelia hatte die kleinen Blutspritzer auf meinem T-Shirt nicht bemerkt, und ich weichte es gleich im Waschbecken ein.
Was für ein Tag! Ich hatte Zeit mit Eric verbracht, immer wieder eine Herausforderung, und ich hatte einen lebenden Verwandten gefunden, auch wenn er ein Supra war. Ich hatte jede Menge über meine Familie gelernt, darunter allerdings auch Unerfreuliches. Ich hatte in einem schicken Restaurant gegessen, an dessen Speisen ich mich allerdings nur noch dunkel erinnern konnte. Und zu guter Letzt war auch noch auf mich geschossen worden.
Ich kroch ins Bett und begann mein Gebet, in das ich Quinn als einen der Ersten einschließen wollte. Die Aufregung über meinen neuen Urgroßvater würde mich die ganze Nacht wach halten, hatte ich gedacht. Doch der Schlaf überkam mich schon, als ich noch dabei war, Gott zu bitten, mir einen Weg durch den moralischen Morast all dieser Morde in der Welt der Supras zu weisen.
Kapitel 6
Eine Stunde, bevor ich hatte aufstehen wollen, klopfte es am nächsten Morgen an der Haustür. Ich hörte es nur, weil Bob in mein Zimmer gerannt kam, auf mein Bett sprang - wo er nicht hingehörte - und sich in meine Kniekehlen kuschelte, da ich auf der Seite lag. Er schnurrte laut, und ich kraulte ihm die Ohren. Ich liebte Katzen. Was nicht hieß, dass ich Hunde weniger mochte. Ich hatte nur deshalb keinen eigenen Hund, weil ich die meiste Zeit des Tages nicht zu Hause war. Terry Bellefleur hatte mir vor einiger Zeit einen Welpen angeboten, doch ich hatte so lange gezögert, bis schließlich alle vergeben waren. Ob Bob wohl etwas gegen eine kleine Katzendame hätte? Oder würde Amelia eifersüchtig werden, wenn ich ein Weibchen nähme? Ich musste kichern, obwohl ich fast schon wieder schlief.
Aber ich schlief eben nicht richtig, und deshalb hörte ich das Klopfen.
Vor mich hin schimpfend, wie man nur so früh am Morgen fremde Leute stören könne, schlüpfte ich in die Hausschuhe und warf mir meinen dünnen blauen Bademantel über. In der
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