Ein Vampir für alle Fälle
nicht beschützt hatte; Wut, weil ich in den Rudelkrieg hineingezogen wurde; und ein besonders heftiges Verlangen, irgendwem den Schädel einzuschlagen. Und als Sahnehäubchen obendrauf noch Missmut, denn aus irgendeinem - völlig irrationalen - Grund passte es Alcide gar nicht, dass ich mit Eric ausgegangen war.
Aus Respekt vor Alcides Verlust versuchte ich, die Klappe zu halten. Solche gemischten Gefühle waren mir selbst schließlich auch nicht fremd. Doch schlagartig hatte ich die Nase gestrichen voll von ihm. »Okay«, erwiderte ich. »Dann ficht deine Kämpfe in Zukunft selbst aus. Immer wenn du mich darum gebeten hast, bin ich gekommen und habe dir geholfen, beim Leitwolf-Wettkampf und auch heute, auf eigene Kosten und ohne Rücksicht auf meinen eigenen Kummer. Du kannst mich mal, Alcide. Vielleicht ist Furnan doch der bessere Leitwolf.« Und damit drehte ich mich auf dem Absatz um. Ich sah noch den Blick, den Tray Alcide zuwarf, und marschierte zur Küche hinaus, die drei Stufen hinunter und zum Carport.
Und hätte irgendwo eine Bierdose im Weg gelegen, hätte ich die garantiert mit voller Wucht weggekickt.
»Ich fahre Sie nach Hause«, sagte Tray, der plötzlich neben mir stand, und ich ging an die Beifahrerseite seines Pick-up. Dafür war ich ihm echt dankbar, denn ohne ihn wäre ich ziemlich aufgeschmissen gewesen. Ich war einfach aus der Küche gestürmt, ohne auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken, was als Nächstes passieren würde. Und es ruiniert nun mal jeden guten Abgang, wenn man zurückgehen muss, um aus dem Telefonbuch die Nummer eines Taxis herauszusuchen.
Ich hatte gemeint, dass Alcide mich seit dem Debakel mit Debbie wirklich verabscheute. Aber die Abscheu war offenbar nicht ganz so allumfassend.
»Schon ironisch, was?«, sagte ich nach einer angespannten Stille. »Gestern Abend wurde ich fast erschossen, weil Patrick Furnan glaubt, damit Alcide einen Schlag versetzen zu können. Und vor zehn Minuten noch hätte ich geschworen, dass das totaler Blödsinn ist.«
Tray sah mich an, als würde er lieber Zwiebeln schneiden als dieses Gespräch führen. Schließlich sagte er: »Alcide führt sich auf wie 'n Arschgesicht, aber er muss gerade auch mit 'ner Menge klarkommen.«
»Verstehe«, erwiderte ich und schwieg dann lieber, damit mir kein weiteres Wort dazu herausrutschte.
Wie sich herausstellte, war ich tatsächlich früh genug dran, um an diesem Nachmittag noch rechtzeitig zur Arbeit zu kommen. Ich war so aufgewühlt, dass ich beim Umziehen so sehr an meiner schwarzen Hose herumzerrte, bis sie fast zerriss. Und mein Haar bürstete ich mit derart übertriebenem Nachdruck, dass es sich knisternd elektrisch aufzuladen begann.
»Männer können unfassbare Arschlöcher sein«, sagte ich zu Amelia.
»Aber echt«, erwiderte sie. »Als ich heute nach Bob gesucht habe, fand ich im Wald eine Katze mit Jungen. Und rate mal, wie sie aussahen? Alle schwarz-weiß!«
Ich wusste wirklich nicht, was ich dazu sagen sollte.
»Also zum Teufel mit dem Versprechen, das ich ihm gegeben habe, oder? Ich werde mich amüsieren. Er geht hin und hat Sex, da kann ich das ja wohl auch tun. Und wenn er deshalb noch einmal auf mein Bett kotzt, dann jage ich ihn mit dem Besen aus dem Haus.«
Ich vermied es, Amelia direkt anzusehen. »Da hast du ganz recht«, sagte ich und hoffte, dass meine Stimme fest genug klang. Es tat so gut, mal nicht kurz vor einer Prügelei, sondern kurz vor einem Lachanfall zu stehen. Ich griff nach meiner Handtasche, prüfte im Spiegel des großen Badezimmers, ob mein Pferdeschwanz richtig saß, verließ das Haus durch die Hintertür und fuhr ins Merlotte's.
Ich war schon müde, noch ehe ich durch den Eingang für Angestellte trat. Kein guter Start für meine Schicht.
Sam sah ich nirgends, als ich meine Handtasche in der tiefen Kommode verstaute, die wir alle benutzten. Doch als ich durch den langen Flur, der zu den zwei Gästetoiletten, zu Sams Büro, zum Lagerraum und zur Küche führte, in die Bar ging, fand ich Sam hinter dem Tresen. Ich winkte ihm zu und band mir die weiße Schürze um, die ich mir von einem Stapel geschnappt hatte. Kellnerblock und Stift steckte ich in die eine Tasche, und dann sah ich mich nach Arlene um, die ich ablösen sollte, und verschaffte mir einen Überblick über die Tische in unserem Bereich.
Mir sank das Herz. Das würde kein friedlicher Abend werden. An einem meiner Tische saßen zwei Idioten in T-Shirts der Bruderschaft der Sonne. Die
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