Ein Vampir fuer alle Sinne
gebracht hast. Jedenfalls kann ich mir das nicht vorstellen, und ich will da kein Risiko eingehen. Die Konsequenzen für ein solches Vergehen würden wohl ziemlich gravierend sein.«
»Wie gravierend?«, fragte ein sichtlich beunruhigter Paul.
Jeanne Louise zögerte. Sie war sich nicht sicher, welche Strafe der Rat in diesem Fall gegen einen Sterblichen verhängen würde. Auf jeden Fall würde es etwas sein, das jeden Sterblichen, der von ihrer Existenz wusste, davon abhalten sollte, etwas Ähnliches zu versuchen. Damit kam die Todesstrafe durchaus infrage, aber wahrscheinlicher war es, dass sie sich zu einem Drei-zu-eins entschließen und sein Gedächtnis löschen würden, um ihn anschließend in einer psychiatrischen Einrichtung abzuliefern, wo er den Rest seines Lebens in einem umnachteten Zustand dahindämmern würde. Als sie genau das Paul verkündete, riss der erschrocken die Augen auf. Seine erste Frage lautete jedoch: »Und Livy? Was würden sie mit ihr machen?«
»Sie würde nicht für etwas bestraft werden, das du getan hast«, versicherte sie ihm rasch.
»Aber was würden sie mit ihr machen? Sie hat doch niemanden.«
»Vermutlich würden sie sie der Familie eines Sterblichen anvertrauen, der für Argeneau Enterprises arbeitet«, antwortete sie und zuckte dabei hilflos mit den Schultern.
»Aber nur für kurze Zeit«, sagte Paul finster.
Sie wusste, er bezog das auf den Tumor, und schwieg eine Zeit lang. Als ihr auffiel, dass er auf die Zufahrt zum Highway eingebogen war, fragte sie: »Hast du dir überlegt, wo wir hinfahren können?«
»Oben im Norden habe ich ein Cottage. Die Fahrt dahin dauert zwar vier bis fünf Stunden, aber …«
»Nein, das geht nicht. Inzwischen wissen sie über alles Bescheid, was du wo besitzt, und es werden Leute vor Ort sein, die das Cottage beobachten«, unterbrach sie ihn. Dabei entging ihr nicht der erschrockene Blick, mit dem Paul darauf reagierte.
»Tatsächlich? So schnell kommen sie an solche Informationen ran?«, fragte er ungläubig.
»Paul, sie können alles herausfinden, was die Behörden der Sterblichen über dich wissen, und wahrscheinlich brauchen sie dafür noch weniger Zeit.«
»Aber wie denn? Die haben doch keinen Zugriff auf die Daten der Polizei oder so«, wandte er ein.
»Sie können zugreifen, worauf sie wollen«, beharrte sie.
»Wie denn?«, fragte er abermals.
Jeanne Louise schüttelte den Kopf. »Das werde ich dir später erklären. Im Augenblick müssen wir uns erst mal überlegen, wohin wir fahren können, wo sie nicht mit dir rechnen werden. Wir können nicht einfach ziellos durch die Gegend fahren.«
»Ja, richtig«, murmelte er und starrte auf den Highway vor ihnen. Dann schlug er vor: »Wenn wir uns ein Hotelzimmer nehmen und …«
»Sie achten darauf, ob du deine Kreditkarten benutzt.«
»Himmel!«, sagte er. »Ich habe nur zwanzig oder dreißig Dollar in der Tasche.«
»Hast du meine Handtasche in meinem Wagen gelassen?«, fragte sie. Seit sie im Keller aufgewacht war, hatte sie ihre Tasche nicht mehr gesehen.
»Ja.«
Sie überlegte kurz. »Wie viel Benzin haben wir noch?«
Paul lächelte flüchtig, was vermutlich damit zu tun hatte, dass sie »wir
«
gesagt hatte, was sie beide zu einem Team machte. Er sah auf die Tankanzeige. »Halb voll.«
»Dann schlage ich vor, du tankst irgendwo zwischen Chuck E. Cheese’s und deinem Zuhause, und da in der Nähe hebst du auch Geld am Automaten ab. Auf die Weise wissen sie zwar, wo wir waren, aber nicht, wohin wir wollen, wenn wir nicht nach Hause zurückkehren.«
»Gute Idee«, lobte er sie anerkennend und ordnete sich rechts ein, um die nächste Ausfahrt nehmen zu können.
Die folgende halbe Stunde verlief unter größter Anspannung, da Jeanne Louise die ganze Zeit über die Umgebung im Auge behielt, während sie damit rechnete, dass von irgendwoher ein schwarzer SUV auftauchte und ihnen den Weg versperrte. Während Paul tankte und zum Geldautomaten ging, hielt sie unentwegt Ausschau nach verdächtigen SUV s und auch nach den Wagen, mit denen ihr Vater und ihre Brüder normalerweise unterwegs waren. Sie war zutiefst erleichtert, als die Fahrertür aufging und Paul wieder einstieg – bis er zu ihr sagte: »Mir fällt gerade ein … Boomer ist noch im Haus.«
»Die werden sich schon um ihn kümmern«, versuchte Jeanne Louise ihn zu beruhigen. »Sie nehmen ihn mit zu ihrem Hauptquartier und passen auf ihn auf, bis sie uns gefunden haben … oder bis die Sache auf irgendeine andere
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