Ein Vampir fuer alle Sinne
die meiste Zeit der letzten Nacht damit verbracht, gegenseitig ihre Körper zu erkunden, was zwischendurch immer wieder von der einen oder anderen Ohnmacht unterbrochen worden war. Sie hatten sich wie zwei Junkies benommen, die bis zur Bewusstlosigkeit high waren und die, sobald wieder ansprechbar, ungeduldig auf die nächste Dosis warteten.
Nachdem sie der Reihe nach geduscht hatten, waren sie nach Grand Bend gefahren, wo der Pinery-Antiquitätenmarkt stattfand. Paul hatte davon in einer der Broschüren gelesen, die vom Vermieter des Cottages auf dem Wohnzimmertisch ausgelegt worden waren. Auf diesem Markt gab es Frühstück, Livemusik und Eiscreme aus richtiger Sahne, daneben natürlich Antiquitäten und ein paar Dinge, die man dort nicht erwartete.
Zuerst gingen sie frühstücken, dann schlenderten sie an den Ständen vorbei, während Livy die ganze Zeit auf der Portion Eiscreme beharrte, die Paul ihr vor dem Ausflug hierher versprochen hatte. Es war egal, dass sie gerade erst ausgiebig gefrühstückt hatte und somit satt war, sie wollte trotzdem ihr Eis, wonach sie schon die ganze Zeit gequengelt hatte. Livys Appetit profitierte sichtlich von der Tatsache, dass Jeanne Louise ihr die Kopfschmerzen nahm und ihr darüber hinaus noch suggerierte, alles, was sie aß, schmecke ihr köstlich.
»Schon gut, schon gut«, sagte Paul amüsiert und gab sich endlich geschlagen. »Du bekommst jetzt dein Eis. Danach sollten wir zum Cottage zurückfahren und schwimmen gehen.«
»Juchhu!«, machte die Kleine begeistert. »Wir gehen schwimmen.«
»Ja, und zum Spielen kommst du vielleicht auch noch«, fügte er hinzu. »Die Leute im Cottage nebenan haben eine kleine Tochter, die ungefähr so alt ist wie du. Kirsten heißt sie. Wenn ihr zwei euch versteht, hast du jemanden, mit dem du spielen kannst, solange wir hier sind.«
»Yippie!«, quiekte Livy und begann im Kreis zu tanzen.
Angesichts dieser ausgelassenen Freude konnte Paul nur belustigt den Kopf schütteln, griff nach ihrer Hand und legte den anderen Arm um Jeanne Louises Taille und ging mit beiden zum Eiscremestand. Jeanne Louise bestellte ein Hörnchen mit je einer Kugel Schokolade und Amarena. Livy wollte prompt das Gleiche haben, während sich Paul mit einer Portion Pistazie begnügte. Nachdem jeder sein Eishörnchen hatte, spazierten sie gemächlich zurück zum Wagen, wobei sie sich beeilten, das Eis abzulecken, bevor es zerlaufen konnte.
Es war fast Mittag und ausgesprochen heiß. Jeanne Louise war sich der sengenden Sonne nur zu bewusst, doch sie wollte diesen Moment nicht zerstören, was unweigerlich geschehen wäre, wenn sie Paul darauf hingewiesen hätte, dass sie sich besser im Schatten aufhalten sollte. Es kam ihr vor, als hätte er völlig vergessen, dass sie unsterblich war, so als wären sie drei eine ganz normale sterbliche Familie, die einen Sonntagsausflug unternahm. Ja, es gefiel ihr. Jeanne Louise hätte nie geglaubt, sie könnte irgendwann einmal Sterbliche um so simple Freuden beneiden. Aber genau das tat sie in diesem Augenblick. Sie war glücklich und gelöst, und die gemeinsam mit Paul verbrachte Nacht tat ein Übriges.
Natürlich wollte sie nach wie vor diesen Mann haben, der neben ihr herging und dem fröhlichen Geplapper seiner Tochter zuhörte. Sie hätte ihn zu gern in die nächste öffentliche Toilette gelockt … oder auf den Rücksitz seines Wagens … oder zu irgendeiner verschwiegenen Stelle unter freiem Himmel. Aber sie mussten schließlich auf Livy aufpassen, also ging das nicht. Dennoch verzehrte sie sich nach Paul, und sie konnte kaum erwarten, dass es Abend wurde und sie das Mädchen schlafen legen konnten, damit sie und Paul die Nacht wieder für sich hatten. Doch für den Augenblick war sie restlos zufrieden und glücklich.
»Jeanie?«
Pauls angespannter Tonfall holte sie aus ihren Gedanken, und als sie ihn ansah, musste sie nur seinem Blick folgen, um den dunklen SUV zu sehen, der eine Reihe hinter Pauls Wagen auf dem Parkplatz stand. Sie kniff die Augen zusammen und trat einen Schritt zur Seite, um das Kennzeichen des Wagens sehen zu können. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Es war ein Argeneau-Fahrzeug, das war an dem besonderen Kennzeichen deutlich zu erkennen. Sie sah zu den Fenstern, aber der SUV stand verlassen da.
»Steigt ein«, forderte Paul sie auf und warf ihr Eishörnchen weg, damit sie die Hände frei hatte.
Während er Livy auf den Arm nahm und zu seinem Wagen lief, blieb Jeanne Louise noch stehen und
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