Ein Vampir fuer alle Sinne
drehte sich einmal um sich selbst, um nach dem Fahrer des SUV Ausschau zu halten. Da sie niemanden entdecken konnte, eilte sie zu Paul und Livy. Er schnallte die Kleine gerade im Kindersitz fest, was Jeanne Louise dazu nutzte, sich noch einmal gründlich umzusehen. Bei jedem Spaziergänger, den sie sah, schaute sie als Erstes aufs Gesicht, dann in die Augen. Auch jetzt konnte sie keinen Unsterblichen ausfindig machen. Zwar kannte sie nicht jeden Vollstrecker persönlich, aber die Augen waren ebenso verräterisch wie ein auffallend bleiches Gesicht mitten im Sommer. Zudem trugen die meisten Unsterblichen Oberteile, die die Arme ganz bedeckten, sowie lange Hosen, damit sie so gut wie möglich vor der Sonne geschützt waren. Doch sie sah nur Leute in Shorts und T-Shirts.
Paul warf die hintere Tür zu, und aus dem Augenwinkel sah Jeanne Louise, wie er um den Wagen herum auf die Fahrerseite lief. Sie gab es auf, nach dem Fahrer des SUV zu suchen, und stieg ebenfalls ein. Nachdem Paul den Motor angelassen hatte und rückwärts aus der Parklücke rangierte, sah sie sich nochmals um. Ruhiger wurde sie erst, als sie wieder auf der Landstraße unterwegs waren und sie ein paar Meilen zurückgelegt hatten.
»Ich glaube nicht, dass wir verfolgt werden«, sagte Paul leise, als Jeanne Louise sich umdrehte, um wieder nach vorn zu schauen.
»Glaube ich auch nicht«, stimmte sie ihm seufzend zu. »Ich schätze, wir haben noch mal Glück gehabt. Allerdings weiß ich nicht, wie sie deinen Wagen und das Kennzeichen übersehen konnten«, fügte sie rätselnd an. »Wir hätten den Wagen einfach stehen lassen sollen. Dass ich daran aber auch nicht gedacht habe …«
»Ähm … also … das ist nicht nötig«, sagte er und wirkte auf einmal merkwürdig verlegen.
Sie sah ihn neugierig an. »Ach, tatsächlich?«
Paul nickte, räusperte sich und legte dann ein Geständnis ab. »Also … als wir gestern in der Stadt waren, habe ich einen von diesen dicken wasserfesten Filzstiften gekauft, und als ich später unsere Einkäufe ausgeladen habe, da habe ich mit dem Stift aus den beiden Sechsen auf dem Nummernschild jeweils eine Acht gemacht.«
»Ist das dein Ernst?«, fragte Jeanne Louise ungläubig.
Er nickte grinsend. »Ich hielt es für eine gute Idee. Ich dachte mir zwar, dass sie so weit weg von London wohl nicht nach uns suchen würden, aber völlig auszuschließen war es nicht. Also kam ich auf diese Idee …« Er zuckte ein wenig hilflos mit den Schultern.
Jeanne Louise entspannte sich ein wenig, während sie ihn bewundernd ansah und sagte: »Du bist wirklich clever.«
»Ja, ich bin nicht nur schön anzusehen, ich hab auch was im Köpfchen«, gab er ironisch zurück.
»Das kannst du laut sagen«, stimmte sie ihm mit ernster Miene zu.
Paul sah kurz zu ihr hin, dann griff er nach ihrer Hand und drückte sie sanft. Erst da fiel ihr etwas auf. »Wo ist dein Eishörnchen?«
»Hab ich auf dem Parkplatz weggeworfen«, antwortete er und setzte achselzuckend hinzu: »So wie du. Ich hielt es für sinnvoll, die Hände frei zu haben.«
»Ja, genau«, sagte sie und drückte seine Finger, während sie einen Blick über die Schulter warf. Im Gegensatz zu ihnen beiden hatte Livy immer noch ihr Eishörnchen und war ganz darauf konzentriert, das Eis zu lecken – und das alles, ohne von Jeanne Louise kontrolliert werden zu müssen. Das wurde ihr aber erst jetzt bewusst, denn offenbar hatte sie aufgehört, dem Mädchen Appetit zu suggerieren, als sie begonnen hatte, auf dem Parkplatz nach Unsterblichen zu suchen. Der Appetit musste also ganz von selbst gekommen sein.
»Schade ist es schon«, sagte Paul ein wenig betrübt. »Das war ein verdammt gutes Eis.«
Jeanne Louise musste leise lachen, als sie ihn reden hörte, aber er hatte völlig recht. Es war wirklich ein verdammt gutes Eis gewesen. »Vielleicht können wir ja unterwegs noch irgendwo anhalten, wo es Häagen-Dazs oder Ben and Jerry’s gibt.«
»Unbedingt«, pflichtete er ihr bei. »Dann können wir unsere geglückte Flucht feiern.«
»Das war wirklich knapp. Ich hätte nicht erwartet, dass sie so weit von London nach uns suchen würden.«
»Ich auch nicht«, sagte er und wurde wieder ernst. »Vielleicht sollten wir uns in den nächsten Tagen mehr in der Nähe unseres Hauses aufhalten. Angemietet haben wir es unter dem Namen Williams, und das Nummernschild habe ich übermalt. Solange wir nicht gesehen werden, dürften wir in Sicherheit sein.«
»Ja«, fand auch Jeanne Louise. Es
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